© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Der abenteuerliche Weg einer Erfurterin
DDR-Enteignungsunrecht: Nur weil Claudia May ihr geerbtes Hausgrundstück auch tatsächlich besitzen will, löste sie nahezu 500 Verfahren und Vorgänge aus
Klaus Peter Krause

Schon in derweilen nahezu 500 Gerichts- und anderen justizförmlichen Verfahren hat die Erfurterin Claudia May um ihr Recht gekämpft. Anhängig sind davon noch über 40. Begonnen hatte dieser abenteuerliche Weg durch Ämter und Gerichte 1990 mit Frau Mays Anspruch auf ein geerbtes Hausgrundstück am Erfurter Stadtpark (JF 50/06). Haus und Grundstück waren 1975 durch staatlich betriebene Überschuldung („kalte Enteignung“) in DDR-Staatshand gekommen. Gleich im Jahr der deutschen Wiedervereinigung machte Frau May ihren Erbanspruch auf Übereignung geltend.

Das ist jetzt gut zwanzig Jahre her. Aber um diese Übereignung – ein sogenannter Rückgabeanspruch – kämpft sie noch immer. In Erfurt ist sie stadtbekannt. Nach einer wohl von interessierter Seite absichtsvoll herbeigeführten Fehlentscheidung des Thüringer Landesamtes für offene Vermögensfragen (ThLARoV) war das Hausgrundstück 1990 in rechtlich falsche Hände gegeben und verkauft worden, obwohl mit Mays Rückgabeanspruch bereits belastet. Damit hatte das ThLARoV seine Amtspflicht verletzt. Da die Erwerber nicht gutgläubig waren, kann Frau May die Rückgabe beanspruchen. Auf diese besteht sie, denn sich die (ohnehin fraglichen) Verkaufserlöse auszahlen zu lassen, kommt für sie nicht in Frage.

In allen Verfahren will Frau May zweierlei durchsetzen: erstens die Grundbuchberichtigung mit ihrer Eintragung als Eigentümerin sowie zweitens den Ersatz des Schadens, der ihr und ihrem Bruder Michael durch die Rechtsstreite und deren (auch gesundheitliche) Folgen entstanden ist. Verantwortlich für den Schaden sei der Freistaat Thüringen: Das ThLARoV sei damals mit Landesbeamten besetzt gewesen, daher habe für die Amtspflichtverletzung das Land zu haften. Die jüngste Gerichtsverhandlung hierzu hat jetzt am 19. November vor dem Landgericht Erfurt stattgefunden (Aktenzeichen 9 0482/10). In diesem Verfahren geht es darum, ob Thüringen für die Amtspflichtverletzung wirklich haften und dann für den Schaden aufkommen muß. Daß die Amtspflichten schuldhaft verletzt worden sind, hat das Thüringer Oberlandesgericht bereits 2005 entschieden (4 U 1032/03).

Seit 20 Jahren sind Ämter und Gerichte damit befaßt

Der kleine Saal 3 des Landgerichts ist mit Publikum übervoll besetzt. Die Verhandlung führt der Vorsitzende Richter Jürgen-Dirk Apel, der eingangs die Rechtslage erläutert, wie sie sich ihm darstellt. Schrittweise entwickelt er, warum Thüringen als Aufsichtsbehörde nicht pflichtwidrig gehandelt, also auch seine Amtspflicht nicht verletzt habe, folglich auch nicht zur Haftung heranzuziehen sei. Begangen habe die Pflichtverletzung die Stadt Erfurt, nicht Thüringen. In der Tat hatte das LG Erfurt die Stadt Erfurt schon 2003 dazu verurteilt, für alle Schäden aufzukommen, die Frau May durch den unrechtmäßigen Verkauf des Grundstückes und seit dem Verkauf entstanden sind. Dem aber hat sich die Stadt durch Revision beim OLG Jena bisher entzogen. Die Richter dort wollten Frau May als Erbin nicht anerkennen und hatten Ende 2003 entschieden: nicht Erbin, daher kein Schaden, daher kein Schadensersatzanspruch. Doch am 2. September 2005 (6 K 756/03 GE) hat auch das Verwaltungsgericht in Gera Frau May als Erbin anerkannt und damit bestätigt, was das Verwaltungsgericht in Weimar (8 K 3006/00.We) schon am 13. November 2002 entschieden hatte.

Auch jetzt in der Erfurter Verhandlung zeigt sich: Die beredtste und kundigste Verteidigerin ihrer Rechtsansprüche ist Frau May selbst. Sie hält dem Richter vor, was er alles nicht vorgetragen und in seiner Sicht der Dinge rechtlich nicht berücksichtigt habe. Dabei sei das doch alles in dem ihm vorliegenden Schriftsatz ihres Anwalts enthalten. Der Richter bestreitet das. Seine Einwendungen und Rückfragen pariert Frau May aktensicher und entschieden. Dann verständigt sich Mays Anwalt mit dem Richter darauf, dasjenige, was dieser glaubt, nicht in den Akten zu haben, ihm noch einmal zukommen zu lassen.

Richter Apel entscheidet, das Urteil werde am 25. Februar 2011 verkündet. Bis zum 8. Januar könne Mays Anwalt schriftlich noch einmal vortragen und Thüringens Anwalt bis zum 8. Februar darauf entgegnen. Damit geht es für Frau May ins 21. Jahr des Kampfes und Prozessierens.

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