© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Wie die Anleger getäuscht werden
EU-Zweckgesellschaft: Der Euro-Rettungsschirm verlangt Milliarden, ist aber selbst nur bedingt kreditwürdig
Wolfgang Philipp

Die Schuldenkrise Irlands hat sich so zugespitzt, daß erstmals die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) in Anspruch genommen werden könnte. Als sogenannte Zweckgesellschaft ist sie Teil des inzwischen von 750 Milliarden auf 560 Milliarden Euro zusammengeschrumpften Euro-Rettungsschirms. Nach einem „Rahmenvertrag“ mit den 16 Euro-Staaten soll sich die EFSF die Mittel durch Emission von Anleihen beschaffen, also in Konkurrenz zu Staaten und Unternehmen den Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Ihre Rückzahlungsfähigkeit soll von den zahlungsfähigen Euro-Mitgliedsstaaten garantiert werden.

Diese Aktion ist nach Konstruktion und Zielsetzung der EFSF allerdings ein unseriöses Unterfangen. Erstens dürfte das Auftreten eines so großen Nachfragers am Kapitalmarkt zu Zinssteigerungen führen, welche wiederum unter anderem die öffentlichen Haushalte belasten würden. Das von EFSF-Chef Klaus Regling bei einer Tagung in Tutzing (JF 47/10) gebrachte Argument, durch die EFSF-Nachfrage entfalle das bisherige Angebot von Staatsanleihen der Krisenländer, trifft speziell für Irland nicht zu, da dort die – nicht absehbare – Staatsverschuldung vom privaten Bankensektor verursacht wird.

Nach dem am 9. Mai von der EU beschlossenen Plan soll die EFSF bis zu 440 Milliarden Euro aufnehmen und an notleidende Euro-Staaten weitergeben. Die EFSF wurde am 7. Juni als Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts mit einem Kapital von nur 31.000 Euro gegründet, die Anteile werden von den 16 Euro-Mitgliedsstaaten gehalten. Das am Kapitalmarkt aufzunehmende Kapital der Sparer soll aber nicht möglichst günstig, sondern möglichst ungünstig angelegt werden: Derjenige Staat, dem es am schlechtesten geht, wird zuerst unterstützt: Die EFSF ist eben kein Unternehmen, sondern ein „Sozialamt für Staaten“.

Ein solches Gebilde ist von sich aus nicht kreditwürdig. Es muß damit rechnen, daß die herausgelegten Gelder nicht oder nicht vollständig zurückfließen und dadurch hohe Verluste entstehen. Auch hat sich schon im Fall Griechenland erwiesen, daß trotz großer Hilfen kein Sanierungseffekt eingetreten ist: Griechische Anleihen fallen weiter im Kurs. Solche Kursverluste führen gegebenenfalls bei der EFSF zu Abschreibungsbedarf und damit weiteren Verlusten. Als Aktiengesellschaft unterliegt die EFSF dem Insolvenzrecht.

Juristische Probleme für Anleger im Insolvenzfall

Trotz dieser Risiken bemühte sich die EFSF, bei den Ratingagenturen das begehrte „Triple A“ (Ausfallrisiko ist fast Null) zu erhalten, um am Kapitalmarkt mit AAA-Staaten wie Deutschland mithalten zu können. Die Agenturen sind dem gefolgt, aber sie verlangten eine Besicherung von 120 Prozent und außerdem zur Abdeckung plötzlicher Zahlungsnotwendigkeiten eine hohe Barreserve. Infolgedessen kann die EFSF schon jetzt höchstens noch 250 Milliarden Euro auszahlen, also 190 Milliarden Euro weniger als gedacht. Das Konzept ist so teilweise gescheitert.

Auf dieser Basis ist das „AAA“ eine Täuschung der Anleger: Es kann keine Rede davon sein, daß die Kreditwürdigkeit der EFSF etwa in „gleicher Augenhöhe“ derjenigen Deutschlands entspricht: Die Kreditwürdigkeit soll allein dadurch hergestellt werden, daß die Euro-Staaten als Bürgen für die Schulden der EFSF haften. Griechenland wurde in den Verträgen hiervon sogleich ausgenommen. Es ist absehbar, daß weitere Euro-Staaten wie Portugal oder Spanien vom Bürgen zum Empfänger von EFSF-Geldern werden könnten. Die EFSF-Staaten haften jeweils nur als „Teilbürgen“ für den notleidenden Betrag – von Deutschland mit 27,1 Prozent bis zu Malta mit 0,09 Prozent.

Im Ernstfall kann der Anleihegläubiger also nicht etwa den zahlungsfähigsten Staat (Deutschland) als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, sondern muß sich an alle Bürgen wenden, um von diesen Teilbeträge anzufordern. Wenn einzelne Staaten nicht zahlen, ergeben sich weitere komplizierte juristische Probleme. Selbst wenn aber die Inanspruchnahme des Bürgen gelingt, haftet der (deutsche) Anleger als Steuerzahler für die eigene Forderung wiederum mit.

Abgesehen von diesen wirtschaftlichen Überlegungen sollten die Anleger aber auch noch aus einem anderen Grunde gewarnt sein: Die von der EFSF den „notleidenden Staaten“ zur Verfügung gestellten Mittel fließen als Kapitalrückzahlung an Banken, welche unter Ausnutzung der Notlage dieser Staaten und des dadurch hervorgerufenen Zinsanstiegs in spekulativer Weise deren Anleihen gekauft hatten. Obwohl jede Bank weiß, daß hohe Zinsen auch auf ein hohes Risiko hinweisen, bleiben sie bislang ungeschoren.

Das ganze Projekt dient daher letztendlich nicht der Sanierung von Griechenland, Irland & Co., sondern der Sanierung von Banken, welche in Europa die gesamte politische Szenerie beherrschen. Ein Entschuldungseffekt bei den notleidenden Staaten findet nicht statt, solange die Banken nicht zu teilweisen Forderungsverzichten gezwungen werden, wenn schon die EU-Steuerzahler zu ihren Gunsten einsteigen. Doch allein die Andeutung eines möglichen Haircuts hat zu einem Zinsanstieg und Sinken des Eurokurses geführt.

Hinzu kommt ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Nach einem verfassungsrechtlichen Gutachten des Freiburger Centrum für Europäische Politik (CEP) verstößt die Gesamtregelung des Euro-Rettungsschirms sowohl gegen den Lissabon-Vertrag als auch gegen deutsches Verfassungsrecht. Auch diese unsichere Rechtsgrundlage zwingt dazu, die EFSF als Anlageform für Sparer schlechthin auszuschließen. Passiver Widerstand gegen diesen offensichtlich nicht zu Ende gedachten Unfug ist geboten.

 

Euro-Rettungsschirm

Die vom Europäischen Rat als Teil des 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirms erfundene „Zweckgesellschaft“ (JF 26/10) wurde am 7. Juni als Aktiengesellschaft mit dem Namen European Financial Stability Facility (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität /EFSF) in Luxemburg gegründet. Gesellschafter sind die 16 Euroländer, Geschäftsführer ist der deutsche EU-Beamte Klaus Regling. Im Zuge der aktuellen Irland-Hilfe soll die EFSF nun erstmals aktiv werden. Irland muß zuvor mit der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Bedingungen für finanzielle Unterstützung durch die EFSF aushandeln. Die bundeseigene Deutsche Finanzagentur (sie führt bislang die Kreditaufnahme des Bundes und dessen Schuldenmanagement durch) soll für die Euro-Rettung das Geld am Kapitalmarkt besorgen. Die EFSF legt dazu Anleihen auf. Das eingenommene Geld wird dann an Länder wie Irland mit einem Zinssaufschlag weitergereicht.

European Financial Stability Facility:  www.efsf.europa.eu

Foto: Euro am Fallschirm: Die gigantische irische Staatsverschuldung wird von den Rettungsaktionen für den privaten Bankensektor verursacht

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