© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

D-Day für Berlusconi
Regierungskrise in Italien: Hin und her am Tiber – Mitte Dezember sollen endlich die Würfel fallen
Paola Bernardi

Das politische Italien bebt. Jeden Tag wird eine neue Koalitionsvariante von den Leitartiklern durchexerziert. Dabei lautet die Frage ganz simpel: Wird Silvio Berlusconi durch seinen langjährigen Verbündeten Gianfranco Fini gestürzt?

Der kommende 14. Dezember ist nun zum Schicksalstag für Berlusconi und seine Regierung von den Medien hochstilisiert worden. Nachdem Staatspräsident Giorgio Napolitano die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 2011 als allererste Priorität gesetzt hat, muß das Haushaltsbudget das Parlament bis spätestens 10. Dezember passieren. Und danach, am 14. Dezember, soll in einer Vertrauensabstimmung über die Regierung Berlusconi entschieden werden.

Am gleichen Tag wird zudem das Urteil des Verfassungsgerichts erwartet, das die strafrechtliche Immunität Berlusconis aufheben könnte, was zu einer Wiederaufnahme der gegen den Regierungschef und Unternehmer gerichteten Prozesse wegen Bestechung und Steuerhinterziehung führen könnte. Deshalb haben die Medien diesen 14. Dezember nun zum „D-Day“ für Berlusconi erklärt.

Serie von Skandalen geht nicht an Berlusconi vorbei

Doch noch sind alle Optionen offen; die Situation ändert sich von Tag zu Tag, niemand vermag eine klare Voraussage zu treffen. Tatsache ist, daß Berlusconis Regierung bisher drei Abstimmungsniederlagen einstecken mußte, weil die Fini-Parlamentarier mit der Opposition stimmten. Unter anderem auch gegen das strenge italienische Einwanderungsgesetz, das ausgerechnet aus der Feder von Fini selbst stammt und noch immer „Bossi-Fini-Gesetz“ genannt wird.

Während Fini unermüdlich auf den Rücktritt von Berlusconi drängt, auch weil dieser durch eine Serie von Skandalen an Popularität eingebüßt hat, rührt sich der Regierungschef nicht. Berlusconi schließt seinen freiwilligen Rücktritt rigoros aus und besteht nach einem Sturz seiner Regierung auf sofortige Neuwahlen. Unterstützt wird er dabei von seinem stärksten Verbündeten, dem Chef der Lega Nord, Umberto Bossi.

 Fini wiederum hat sich mit der kleinen christlich-demokratischen Oppositionspartei UDC unter ihrem Parteichef Pier Ferdinando Casini und der kleinen „Alleanza per Italia“ (API) zusammengetan. Mit Hilfe der Bildung eines sogenannten „Pol der Mitte“, der als Alternative zu den bestehenden Blöcken von rechts nach links agieren soll, hofft man,  die derzeitige Regierung zu stürzen.

Während Fini derzeit die Medienauftritte sucht, sich nicht scheut, sogar gemeinsame Sache mit dem Parteichef der Linken, Pierluigi Bersani, zu machen, übt sich ausgerechnet Berlusconi, der Medien-Mann, in totaler medialer Abstinenz. Er mied bisher jede Konferenz, jeden Fernsehauftritt. Zudem gibt er sich optimistisch, glaubt gar, die Vertrauensfrage in beiden Kammern des Parlaments überstehen zu können, um weiter zu regieren.

Und je länger Berlusconi in seiner Haltung verharrt, desto stärker mehren sich die Zweifel an Fini. Zu oft hat er sich in seinem Leben gehäutet: so von der neofaschistischen MSI bis hin zur konservativen AN. In der Durchführung seiner Strategie wirkt Fini zögerlich und sein Zickzackkurs irritiert. Die Zweifel mehren sich nach seiner letzten Videobotschaft, in der Fini behauptet, er hätte nie den Amtsrücktritt von Berlusconi verlangt. Mit dieser kryptischen Volte hat er viele verunsichert, die Konfusion ist jetzt total. Und die Linken treibt nun die Furcht um, daß es Berlusconi bei einem vorgezogenen Urnengang wieder schaffen könnte.

Foto: Umberto Bossi, Gianfranco Fini, Silvio Berlusconi (v.l.n.r.): Die Partner von einst gehen ihre eigenen Wege – nur die Richtung ist noch offen

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