© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Die Sonne bittet zur Kasse
„Grüne Revolution“: Mit dem wachsenden Anteil der erneuerbaren Energiequellen wird deutlicher, wie tief die Bürger in die Tasche greifen müssen
Hans Christians

Die Bundesregierung unter Angela Merkel, die sich selbst gerne als „grüne Kanzlerin“ feiern läßt, mutet im Namen des Klimaschutzes den Bürgern einiges zu. Deutschlandweit soll der Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent reduziert werden. Wärmedämmung heißt das Zauberwort, das den Regierungen ein wohliges Gefühl bereitet, Hausbesitzern und Mietern aber den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Eigentümer werden demnächst viel Geld aufbringen müssen – Fachleute rechnen mit 70.000 Euro für ein durchschnittliches Einfamilienhaus und rund 30.000 Euro für eine Eigentumswohnung. Und Mieter sollten mit höheren Monatsraten kalkulieren.

„Alle müssen sich vernünftig beteiligen“, fordert Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Deshalb plant der Bund, die Umlage von Sanierungskosten auf Mieter deutlicher als bisher erlaubt auszuweiten. Die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) geht bei einer Sanierung inklusive Dämmung eines Mehrfamilienhauses mit 16 Wohneinheiten von Kosten in Höhe von 680 Euro je Quadratmeter Wohnfläche aus. Der Aufwand für Einfamilienhäuser liege mit 750 Euro je Quadratmeter noch höher. Eine Komplett-Modernisierung der betroffenen Gebäude in Deutschland erfordert laut BSI Investitionen von etwa 2.500 Milliarden Euro, wenn jährlich zwei Prozent des deutschen Immobilienstandes saniert werden würden. In der Folge könnten auch die Mieten deutlich steigen. Kanzlerin Merkel hat schon einmal zaghaft versucht, die verstimmte Wählerschaft darauf vorzubereiten.

„Fundamentaler Umbau der Infrastruktur“

 Die CDU-Chefin würde es befürworten, wenn die Hauseigentümer einen größeren Teil der Investitionen für eine bessere Wärmedämmung der Gebäude auf die Miete umlegen könnten. „Das findet natürlich auf den ersten Blick nicht jeder gut. Aber es ist doch verständlich, daß sich solch eine Investition in die Zukunft sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter lohnen muß.“ Merkel äußerte die Sorge, „daß viele Menschen zwar von immer mehr Wind- und Sonnenenergie träumen, aber nicht bereit sind, den für unsere Ziele notwendigen, fundamentalen Umbau der Infrastruktur zu unterstützen“.

Unterdessen kommt eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle zu dem Ergebnis, daß eine Gebäude­sanierung nicht immer die sinnvollste Lösung darstellt. Wohnhäuser, die um die Wende zum vergangenen Jahrhundert erbaut wurden, wiesen beim Energieverbrauch gute Eigenschaften auf, vor allem wegen ihrer massiven Außenwände, die relativ wenig Wärme entweichen ließen. Auf der anderen Seite erfordere die Sanierung hier vergleichsweise hohe Investitionen, etwa wenn die Fassaden mit aufwendigen Ornamenten versehen sind. Anders sehe es bei Gebäuden aus, die in den fünfziger oder sechziger Jahren gebaut wurden. Hier könnte durch Sanierung der „Energiekennwert“ um mehr als ein Viertel gesenkt werden.

Die „grüne Kanzlerin“ spricht gerne von einer „Revolution“, die der Bundesrepublik ein neues, ökologisches Gesicht verpassen solle. Andere fürchten dagegen einen regelrechten Klimawahn. Im kommenden Jahr sollen die Strompreise erneut drastisch steigen. Das Verbraucherportal Verivox hat ermittelt, daß über dreihundert Stromanbieter ihre Tarife zum 1. Januar 2011 anheben werden. Dabei sei eine Preissteigerung von bis zu zehn Prozent durchaus zu erwarten. Laut Verivox müßte ein Vier-Personen-Haushalt dadurch pro Monat etwa 5,50 Euro mehr zahlen. Nach Angaben des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen sind die Stromkosten in den vergangenen zehn Jahren um 60 Prozent gestiegen. Noch einmal dieselbe Steigerungsrate ist nach Ansicht von Energieexperten in den kommenden zehn Jahren denkbar.

Laut Stromversorgern gibt es dafür einen Schuldigen, den stark gestiegenen Anteil an Solarstrom und die für ihn gezahlte hohe Einspeisevergütung. Gegner der Erneuerbaren fordern daraufhin, die Vergütung für Solarstrom müsse gesenkt werden, seine Befürworter halten die Meldung für den neuen Höhepunkt einer scheinheiligen Kampagne. Der Gipfel der Schuldzuweisungen: Ausgerechnet Merkels Kabinett sei „von der Atomlobby gekauft“.

Derzeit muß der örtliche Netzbetreiber jede Kilowattstunde Solarstrom, die von einer neu errichteten Hausdachanlage in das Netz eingespeist wird, mit 33 Cent je Kilowattstunde bezahlen. Diese Kosten werden von den Netzbetreibern dann auf alle verkauften Kilowattstunden umgerechnet und als sogenannte EEG-Umlage von den Stromkunden eingezogen. Das ist seit rund einem Jahrzehnt politisch so gewollt und soll dazu führen, daß die Produktion von Photovoltaikanlagen steigt und mit steigenden Absatzzahlen die Kosten sinken. Fakt ist jedenfalls, daß die Zahl der installierten Anlagen viel schneller gestiegen ist, als es selbst Öko-Optimisten noch vor wenigen Jahren für möglich hielten. Daraus folgt nun der negative Effekt, daß Stromkunden eine von Jahr zu Jahr steigende Summe für Solarstrom zahlen müssen. Der Anstieg beträgt von 2009 auf 2010 ziemlich genau eineinhalb Cent je Kilowattstunde. Nun tobt der Streit, ob diese Kosten für den Bürger noch erträglich seien.

Diese fühlen sich vom Regulierungswahn mehr und mehr belästigt. So befindet sich beispielsweise der Lampenmarkt im Umbruch: Bis 2012 werden nach einer Entscheidung der EU sämtliche Glühbirnen aus den Läden verbannt sein. Brüssel begründet das Verbot damit, daß die Glühlampe nur fünf Prozent der eingesetzten Energie in Licht umsetzt. Der Rest, argumentieren auch Umwelt- und Verbraucherschützer, verpufft ungenutzt als Wärme. So weit, so gut.

LEDs könnten bald die Energiesparlampe ablösen

Doch die sogenannten Energiesparlampen könnten durchaus in Bälde selbst zum Auslaufmodell werden. Viele Experten sagen ihr nur eine kurze Zeit am Markt voraus – es handle sich lediglich um eine Übergangstechnologie. Die Leuchte der Zukunft heiße vielmehr LED. Endabnehmer befürchten wohl nicht zu Unrecht, daß in diesem Fall eine neue Direktive aus Brüssel für Unmut und erneut für Kosten im privaten Geldbeutel sorgen könnte. Zumal die neue Energiesparlampe trotz intensiver Lobbyarbeit höchst umstritten ist. Ihre Schädlichkeit aufgrund des Quecksilbergehalts wird ebenso diskutiert wie die Frage, ob sie tatsächlich so „sparsam“ sei, wie angekündigt wurde.

Auch die Meßdienstbranche freut sich: Der Europäische Verein zur verbrauchsabhängigen Energiekostenabrechnung (E.V.V.E.), der beispielsweise die Interessen der deutschen Ablesedienstleister Ista und Techem vertritt, verspricht sich von den geplanten „Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz“ erhebliche Umsatzzuwächse. Der Nachrichtenplattform Euractiv zufolge geht der Lobby-Verband davon aus, daß die Branche von den über eine Billion Euro, die europaweit in den kommenden zehn Jahren zur Erreichung der Klimaschutzziele investiert werden müssen, einen ordentlichen Anteil erhalten wird. Ziel sei es, „innovative, effektive und vergleichsweise kostengünstige Lösungen“ anzubieten, mit denen in Wohn- und Gewerbeimmobilien der Energieverbrauch gesenkt werden könnte. Laut E.V.V.E. würden rund vierzig Prozent des europäischen Gesamtenergiebedarfs in Privat- sowie Geschäftsgebäude fließen.

Keine Frage, öko ist schick in der Bundesrepublik, aber ist die „grüne Welle“ wirklich effizient? Auch um das Für und Wider von Biogasanlagen wird heftig gestritten. Diese werden – wen wundert‘s – seit Jahren eifrig subventioniert. Was zu grotesken Entwicklungen führt: Immer mehr Lebensmittelrohstoffe werden in der Landwirtschaft zweckentfremdet. Die Menge der Gesamtgetreideproduktion, die für Treibstoffe verwendet wird, ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich schneller gewachsen als die für Viehfutter und für die direkte menschliche Ernährung, resümiert der Verein Germanwatch in seiner aktuellen Trendanalyse. Für viele deutsche Landwirte ist es wegen der Subventionen lukrativer, minderwertiges Getreide für eine Biogasanlage anzubauen.

Besorgniserregend ist eine Umfrage unter Maklern: Demnach haben in Deutschland Finanzinvestoren Landwirte als wichtigste Käufergruppe von Ackerland überholt. Auch Naturschutzverbände schlagen Alarm. Die Subventionierung von Monokulturen sei eine Gefahr für die Artenvielfalt. Vielen Tieren entfiele die Nahrungsgrundlage, würde der Trend zu immer mehr Maisanbau anhalten, glaubt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Einige Länder wie Sachsen-Anhalt oder Niedersachen denken mittlerweile darüber nach, die Förderung der Biogasproduktion zu reduzieren. Der Wildwuchs sei nicht mehr hinnehmbar, heißt es in den Debatten. Oder wie der BUND es formuliert: „Bio ist nicht immer gleich Öko.“

 

EEG-Umlage

Der überwiegende Teil der Strompreissteigerung der vergangenen Jahre resultierte aus den Bestimmungen des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG). Mit diesem wird über die EEG-Umlage die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien subventioniert. Der Förderungsbedarf ist je nach Energiequelle unterschiedlich hoch. So werden für Photovoltaik-Anlagen, die neun Prozent des geförderten Stroms erzeugen, 30 Prozent der über die EEG-Umlagen eingezogenen Subventionen ausgegeben.  Windkraftanlagen (Strom­anteil über 50 Prozent) erhalten rund ein Drittel der Zahlungen.

Foto: Die Förderung regenerativer Energiequellen ist teuer: Der Strompreis wird deutlich steigen

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