© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Der Druck auf Thomas Krüger wächst
„Gender Mainstreaming“: CDU-Politiker kritisieren Äußerungen des BpB-Präsidenten
Felix Krautkrämer

Die Kritik am Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), Thomas Krüger, reißt nicht ab. Nach ersten Rücktrittsforderungen (JF 47/10) griffen Ende vergangener Woche auch die brandenburgische CDU-Chefin, Saskia Ludwig, und der stellvertretende hessische Fraktionsvorsitzende, Hans-Jürgen Irmer, Krüger an.

Dessen jüngste Äußerungen seien „sozialutopische Träumereien“, kritisierte Ludwig gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Daß der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung die sozialistische Geschlechterpolitik lobt und über linke Feministinnen philosophiert, ist fragwürdig. Diese unkritische und einseitige Sichtweise wird der Bedeutung dieses wichtigen Amtes nicht gerecht“, sagte die Fraktionschefin der CDU im Potsdamer Landtag.

Krüger hatte Ende Oktober laut Manuskript in einer Rede gefordert, das „Prinzip des Gender Mainstreaming als zentrale Dimension aller gesellschaftlichen und politischen Bereiche umzusetzen“. Außerdem hatte er die gesellschaftliche Stellung der Frau in der DDR und die dortige liberale Abtreibungspraxis gerühmt sowie den Kampf der „Feministinnen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg für Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht“ in Deutschland hervorgehoben. Dem widersprach Ludwig: Die Geschlechterpolitik in der DDR sei klar auf die Dominanz des Staates in allen Lebenslagen ausgerichtet gewesen. „Ihr Ziel war die möglichst umfassende Kontrolle und Ideologisierung des Einzelnen.“ Heutzutage seien Frauen in Führungspositionen selbstverständlich und gesellschaftliche Realität. Daher brauche es auch „keine sozialutopischen Träumereien über eine geschlechterlose Gesellschaft“, sagte sie.

Mit Kritik allein ist es für den stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden im hessischen Landtag, Hans-Jürgen Irmer, jedoch nicht getan: „Herr Krüger ist der Aufgabe des Präsidenten einer Einrichtung, die der Wissenschaftlichkeit und der politischen Ausgewogenheit verpflichtet ist, nicht gewachsen. Er sollte umgehend zurücktreten“, forderte der bildungspolitische Sprecher aller Unions-Landtagsfraktionen. Die Rede sei ein „unglaublicher Angriff auf die Werte und Normen unseres Staates“, kritisierte Irmer. Krüger wolle den in der Verfassung verankerten besonderen Schutz der Familie und der Ehe abschaffen, was auch ein Angriff auf das Grundgesetz sei. Gleichzeitig warf er dem Präsidenten der Bundeszentrale vor, mit seinen Äußerungen zur DDR die damalige Diktatur in einer nicht zu akzeptierenden Weise verharmlost zu haben.

Irmer kündigte an, sich deshalb an Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und den Fraktionschef der Union im Bundestag, Volker Kauder (CDU), zu wenden.

Dem früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Krüger könnte allerdings noch weiterer Ärger ins Haus stehen: Anfang Dezember findet in Berlin der dreitägige Kongreß „Vision Kino 10: Film – Kompetenz – Bildung“ statt, unterstützt von der Bundeszentrale. Pikantes Detail: Eine Veranstaltung wird von der Medienwissenschaftlerin Brigitte Zeitlmann moderiert, Krügers Ehefrau. Die Bundeszentrale steuert 30.000 Euro für den Kongreß bei. Zeitlmann war schon öfter für die „Vision Kino gGmbH – Netzwerk für Film- und Medienkompetenz“ tätig. Gemeinsam mit der Bundeszentrale verantwortet die Vision Kino gGmbH das Onlineportal Kinofenster. In den vergangenen fünf Jahren flossen von der BpB über 280.000 Euro in das „Kooperationsprojekt“, auf dem auch die von Krügers Frau moderierten Veranstaltungen beworben werden.

Kontrollgremium tagt im Dezember

Laut Impressum von kinofenster.de ist seitens der BpB Thorsten Schilling für die Seite verantwortlich. In der Bundeszentrale leitet er den Fachbereich E „Mulitmedia/Medien- und Kommunikationszentrum Berlin“. Schilling ist ein alter Weggefährte Krügers. Als dieser in den neunziger Jahren Senator für Jugend und Familie in Berlin war, diente ihm Schilling als Pressesprecher. Bereits 2004 berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger über Vorwürfe, Krüger betreibe in der Bundeszentrale eine Art Vetternwirtschaft und „habe persönlichen Freunden und Mitstreitern aus Vorwende-Zeiten zu Posten und Aufträgen verholfen“, allerdings, ohne dabei Namen zu nennen. Gemeint gewesen sein könnte unter anderem Raul Gersson, der noch bis vor kurzem Leiter der „Stabsstelle Kommunikation“ in der Bundeszentrale war. Gersson stieß im Oktober 2000 zur BpB, kurz nachdem Krüger auf Vorschlag des damaligen Innenministers Otto Schily (SPD) zum Präsidenten der BpB gewählt worden war. Nach Informationen der JF soll Gersson bereits im Bundestagswahlkampf 1994 zu Krügers Wahlkampfteam gehört haben. Zuvor schrieb er für die taz.

Die neuen Vorwürfe könnten auf der nächsten Sitzung des Kuratoriums der BpB eine Rolle spielen. Das mit Bundestagsabgeordneten aller Parteien besetzte Gremium zur Kontrolle der Arbeit der Bundeszentrale tagt Anfang Dezember. Seit der Bundestagswahl verfügt Schwarz-Gelb über eine Mehrheit in dem Kuratorium. Für gewöhnlich nimmt Krüger an den Sitzungen teil. Ebenso wie ein Vertreter des Bundesinnenministeriums. www.bpb.de

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