© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

„Ein Billionen-Geschäft“
Für die meisten Deutschen sind erneuerbare Energien das Gute schlechthin, für die Industrie ist der Klimaschutz vor allem eines: „Big Business“ auf Kosten der Konsumenten
Moritz Schwarz

Herr Ederer, Klimaschützer sind ausnahmslos Idealisten, die keine materiellen Interessen haben.

Ederer: Ganz großer Irrtum.

Warum?

Ederer: Der sogenannte Klimaschutz ist längst ein Billionen-Geschäft, da geht es um Geld und politische Macht.

Eine Unterstellung.

Ederer: Alleine die Kosten für Haussanierung in Deutschland auf Null-Emission etwa wurden allgemein auf 1,2 Billionen Euro geschätzt. Natürlich, es gibt viele Idealisten, vor allem die jungen Leute, die in der Schule schon indoktriniert werden. Sie glauben sicher daran, die Welt zu retten. Aber die sind nur das nützliche  Fußvolk. Das Thema wird in den Konzernen angeschoben.

Was zu beweisen wäre!

Ederer: Die Banken, die Versicherungen und die Industrie verhalten sich nur konsequent: Sie wollen Geld verdienen, und wenn der Staat Milliarden für den „Klimaschutz“ ausgibt, werden sie sich um diese Milliarden kümmern. Nicht das, was ökologisch und ökonomisch vernünftig wäre, wird gemacht, sondern das, was der Staat subventioniert.

Konkret?

Ederer: Erinnern Sie sich, wie Bundeswirtschaftsminister Brüderle im Juni eine Bürgschaft für Opel abgelehnt hat? In der selben Woche fordert sein Parteifreund Hans-Heinrich Sander, Umweltminister in Niedersachsen, eine Milliardenbürgschaft für Siemens zum Bau einer Hochspannungsleitung von den Windparks im Norden nach Süddeutschland. Wenn es um Energie, Klima, Umwelt geht, dann wird die Marktwirtschaft also vergessen, dann sind sogar Milliardenbürgschaften plötzlich opportun.

Vielleicht weil diese als Zukunftsbranchen gelten und damit als wichtiger bewertet werden als die Autoindustrie.

Ederer: Da sind wir beim springenden Punkt: „gelten“, „bewertet werden“! Die Regierung gibt ein Staatsziel vor: Etwa Absenkung der Treibhausgase um achtzig Prozent. Also sagt die Industrie: „Lieber Staat, gib uns Geld, damit wir das Staatsziel erreichen.“ Deshalb fordert ja auch die Automobilindustrie fünf Milliarden Euro Forschungsmittel für den Bau von Elektroautos. Das artet in Planwirtschaft pur aus. Und um die Akzeptanz für diese Subventionen zu erhöhen, geht es immer um die „Rettung der Welt“. Deshalb werben jetzt alle: Kauf mein Produkt, weil es umweltfreundlich ist! Das nennt sich „Greenwashing“– und ist nichts als ärgerliche Konsumentenverdummung.

Sie werden Anfang Dezember auf einer Konferenz zum Thema „Die Erneuerbare-Energie-Lobby und die politisch-wirtschaftlichen Konsequenzen“ sprechen.

Ederer: Ja, denn die Hersteller von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sind heute längst keine ökologisch gesinnten Idealisten mehr – die kleinen Garagenproduzenten sind längst aufgekauft. Heute ist Umwelttechnologie in Konzern-Hand. Unternehmen wie Siemens oder General Electric konkurrieren um die Milliardeninvestitionen in Windparks und Solaranlagen. Denken Sie etwa an das Desertec-Projekt in der Sahara, über das Ihre Zeitung ja auch schon berichtet hat. Dahinter stehen die großen Banken und Versicherungen, die an der Milliardenfinanzierung verdienen, und das alles abgesichert durch Bürgschaften vom Staat, also vom Steuerzahler! Mit Weltrettung hat das überhaupt nichts zu tun, das ist Big Business.

Neben den Unternehmen für Erneuerbare-Energie-Technik profitiert vor allem die Atomindustrie, kritisieren Sie. Die hatte sich ja schon passend zum letzten Weltklimagipfel mit einer bundesweiten Anzeigenkampagne als „Klimaschützer des Jahres“ profiliert.

Ederer: So ist es, und was die sogenannten Klimaschützer gar nicht gerne hören ist, daß es Maggie Thatcher war, die erheblich dazu beigetragen hat, die Behauptung vom anthropogenen, also vom menschenverursachten Klimawandel so erfolgreich zu vermarkten. Sie wurde in ihrer Zeit als Premierministerin vom späteren US-Vizepräsidenten Al Gore auf seine „Entdeckung“ des „Klima-Holocaust“, wie er sich ausdrückte, angesprochen. Maggie Thatcher kämpfte damals gegen die Bergarbeiter, deren Macht sie brechen wollte, und noch immer schwebte, bildlich gesprochen, die 1957 in Sellafield entwichene radioaktive Wolke über dem Ruf der Kernkraft. Im Klimathema sah sie nun ein Mittel, um beide Probleme in ihrem Sinne zu lösen: Um die Treibhausgase der Kohle zu vermeiden, brauchen wir die Atomkraft! Von Anfang an unterstützte die Nuklearindustrie in England und den USA die Behauptung, daß die Treibhausgase das Klima erwärmen. Mit großem Erfolg: Noch vor zwanzig Jahren war die Atomindustrie so platt wie eine Flunder, kein westlicher Industriestaat wollte einen neuen Atomreaktor bauen. Und heute? Allein in Europa sind 44 Reaktoren in Bau oder Planung. Auch bei vielen Abgeordneten der bürgerlichen Parteien habe ich den Eindruck, daß sie die Treibhausgastheorie nur unterstützen, um die Akzeptanz der Atomkraftwerke zu erhöhen.

Der Weltklimagipfel ab Montag in Cancun ist allerdings keine Veranstaltung der Industrie, dort treffen sich unabhängige Wissenschaftler.

Ederer: Ein Märchen! Zwei Drittel der Mitglieder des IPCC, also des Weltklimarates, der den Gipfel veranstaltet, sind Politiker und keine Forscher. Zu Beginn der Klima-Debatte waren erstaunlicherweise alle staatlichen Organisationen, wie etwa die britische meteorologische Gesellschaft, für die Behauptung vom menschengemachten Klimawandel und alle unabhängigen Institute dagegen. Wie die regierungsfinanzierten Institute ihre Daten manipuliert haben, wurde ja vor einem Jahr durch die Veröffentlichung von Computerauszügen bekannt. Auch für die Forscher geht es um Milliarden, und die bekommen sie eher, wenn sie bei der gewünschten politischen Richtung mitmachen.

Die Forschung sei quasi „gekauft“, ist das nicht ein Totschlagargument?

Ederer: Ich kenne aktive Wissenschaftler, die mir das hinter vorgehaltener Hand so erklärt haben: „Eine Untersuchung über das ‘Paarungsverhalten von Eichhörnchen in Oberbayern’ wird abgelehnt. Für eine ‘Untersuchung über das Paarungsverhalten von Eichhörnchen im Zusammenhang mit dem Klimawandel’ wird die Förderung aber bewilligt!“ Ist Ihnen schon mal aufgefallen, daß fast alle Wissenschaftler, die Kritiker des anthropogenen Klimawandels sind, sich schon im Ruhestand befinden?  Sie sagen selbst: Sie könnten jetzt offen sprechen, weil sie unabhängig sind. In diesem Zusammenhang plädiere ich für mehr Transparenz: Wer finanziert wen und warum? Wieviel zahlt zum Beispiel die Münchner Rück an das bekannte Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung und welche Wissenschaftler werden besonders gefördert? Die Münchner Rück finanziert auch „Germanwatch“, damit diese Organisation den bekannten Klimawandel-Film Al Gores „An Inconvenient Truth / Eine unbequeme Wahrheit“ in den Schulen zeigen kann. Damit werden Emotionen erzeugt, aber kein Wissen vermittelt. In Deutschland nimmt diese Diskussion längst religiöse Züge an: Es geht immer mehr um Glauben und weniger um Wissen.

Warum sollte das so sein?

Ederer: Erstens haben wir Deutsche einen Hang zur Romantik. Zweitens entspricht es unserem Wunsch, die Welt zu retten, oder anders gesagt: An unserem Wesen soll die Welt genesen! In angelsächsischen Ländern dagegen gibt es viel mehr Bewußtsein, daß hinter den Dingen immer auch Interessen stehen. In England und Wales etwa ist die Aufführung des Al-Gore-Films an Schulen durch den High Court verboten, weil er etliche gravierende Fehler enthält, während er bei uns ja als großes Aufklärungswerk gilt. Die britische Royal Society hat gerade beschlossen, ihre Haltung zum menschengemachten Klimawandel kritisch zu überdenken.  

Laut einer Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008 gaben in Deutschland 71 Prozent der Befragten auf die Frage nach den „größten Problemen der Welt“ an, „der Klimawandel“. Der EU-Durchschnitt liegt dagegen nur bei 62 Prozent.

Ederer: Ich frage Sie, wieviel Anteil CO2 ist in einem Kubikmeter Luft? Wissen Sie das? Und so wie Sie es nicht wissen, geht es fast allen Deutschen. Die meisten antworten mir: „Vielleicht zwanzig Prozent?“ Tatsächlich sind es 0,038 Prozent. Und davon stammen 96 Prozent aus natürlichen Quellen. Das heißt also, wir Menschen haben Einfluß auf 0,001536 Prozent des CO2 in der Luft. Gäbe Deutschland seine CO2-Emission, sagen wir mal großzügig sogar vollständig auf, würden wir – immer vorausgesetzt, die Behauptungen des Weltklimarates würden stimmen – eine Erwärmung der Erde um 0,0072 Grad verhindern. Und dafür sind unsere Parteien bereit, die Haushalte und die Wirtschaft mit Billionen von Euro zu belasten.

Was wollen Sie damit sagen?

Ederer: Also ich meine, dazu gehört eine ziemliche Portion Hochmut, wenn wir angesichts dessen so tun, als hinge von uns das Schicksal der Welt ab.

Wenn wir nicht anfangen umzudenken, werden andere auch nicht anfangen.

Ederer: Das ist eben genau der unterschwellige Hochmut, den ich meine. Wissen Sie, wenn die Behauptungen des Weltklimarates stimmten, dann geht die Welt sowieso unter, denn die Chinesen kümmern sich einen feuchten Kehricht um uns als Vorbild. China weiht derzeit jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ein und das Land hat Kohlevorräte für 500 Jahre, wenn es wie geplant die Produktion auf 3,6 Milliarden Tonnen pro Jahr steigert. Südlich des Yangtse sitzen die Schulkinder bis heute im Winter in ungeheizten Klassenzimmern, weil alle öffentlichen Gebäude dort wegen Energiemangel nicht geheizt werden dürfen. Die Chinesen werden alle Energieformen nutzen, um den gewaltigen Bedarf zu decken und dabei auf uns keinerlei Rücksicht nehmen. Genauso wie Brasilien, Indien, Südkorea, Saudi-Arabien und viele andere Länder, die ihren CO2-Ausstoß in den letzten Jahren um hundert und mehr Prozent erhöht haben, weil es für sie vorrangig ist, die Lebensbedingungen ihrer Völker zu verbessern.

Aber macht das eine Umkehr nicht um so wichtiger?

Ederer: Das zeigt vor allem unsere Hybris: Zu glauben, wir könnten diesen Ländern mit ihren Bedürfnissen sagen, was sie richtig und was sie falsch machen.

Ist es nicht sympathisch, daß die Deutschen sich um die Zukunft der Welt sorgen und mit gutem Beispiel vorangehen wollen?

Ederer: Sie hören offenbar nicht, was ich sage: Das hat viel mehr mit Anmaßung als mit Selbstlosigkeit zu tun, das ist uns nur nicht bewußt. Es geht dabei um innenpolitische Machtkämpfe, um das Image einer Klimakanzlerin, um eine grüne Partei, die die ganze Welt rettet, um von den Romantikern aller Schattierungen gewählt zu werden. Haben Sie vergessen, wie bedeutungslos die Europäer am Katzentisch saßen, als die Klimakonferenz in Kopenhagen beerdigt wurde?

Was, wenn Sie sich irren und es doch einen anthropogenen Klimawandel gibt?

Ederer: Das ist wie die Frage: Was tun Sie, wenn Ihnen ein Meteorit auf den Kopf fällt. Auch dann haben wir bei den realen weltpolitischen Machtverhältnissen keine Chance, die Treibhausgase wesentlich zu verringern.

Wie können Sie sich so sicher sein, Sie sind Journalist, kein Wissenschaftler?

Ederer: Stimmt, aber gerade als Journalist ist es meine Pflicht, Fragen nach den Widersprüchen zu stellen und nicht einem Herdentrieb zu folgen. Und genau das tue ich.

Dennoch: Angenommen Sie haben unrecht, wären dann die Subventionen, Bürgschaften und Klima-Steuerbelastungen nicht alle gerechtfertigt?

Ederer: Sagen wir es so: Wenn es wirklich um eine andere Energieversorgung in unserem Land ginge, die uns unabhängiger von Importen und Preissteigerungen macht, dann würde ich eine marktwirtschaftliche Lösung anstreben. Zum Beispiel: Wir machen ein Gesetz, nach dem jeder Energieanbieter mindestens zwanzig Prozent seines Stromes aus erneuerbaren Energien anbieten muß. Denn dann hätten wir einen Wettbewerb um die günstigste erneuerbare Energie. Das bestehende Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) aber subventioniert die teuerste erneuerbare Energie. Damit haben wir auch keinen Wettbewerb um die preisgünstigste erneuerbare Energie, und es fehlt an Innovationen, die vom Wettbewerb ausgehen. Alle Parteien im Bundestag versagen und vergessen ihre Prinzipien: CDU/CSU und FDP treten das Prinzip der Marktwirtschaft mit Füßen, und die Linken übersehen, daß die kleinen Leute die Zeche durch die Zwangseinspeisung zahlen. Für diese brutale Umverteilung von den kleinen Einkommen direkt zu den Kapital- und Grundstücksbesitzern stimmt das Wort: Staatlich sanktionierte Ausbeutung. Die nächste Rentenerhöhung von einem Prozent wird durch die Zwangseinsparung für die erneuerbaren Energien fast aufgefressen – aber darüber redet im Parlament kein einziger Abgeordneter. Und, glauben Sie jetzt immer noch, daß es den Klimaschützern um Idealismus geht?

 

Günter Ederer, der Journalist, Publizist und Filmemacher wurde vor allem durch seine Wirtschafts- und Sozialreportagen bekannt, die ihm bis heute 23 Filmpreise und Auszeichnungen eingebracht haben, darunter 2002 der Deutsche Fernsehpreis. Ederer, Jahrgang 1941, drehte vor allem für ARD und ZDF, dessen Ostasienkorrespondent er zudem von 1984 bis 1990 war. Unter seinen zahlreichen Sachbüchern erreichten seine Titel über Japan („Das leise Lächeln des Siegers“, 1991) und China („Der Sieg des himmlischen Kapitalismus“, 1996) Plazierungen auf den Bestsellerlisten. Auf der „3. Klima- und Energiekonferenz“ vom 3. bis 6. Dezember in Berlin – quasi der Alternativveranstaltung zum Weltklimagipfel in Cancun – referiert er über die Erneuerbare-Energie-Lobby. Im März erscheint bei Eichborn sein neues Buch: „Träum weiter, Deutschland! Politisch korrekt gegen die Wand“ www.weltundwirtschaft.de

 

weitere Interview-Partner der JF

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen