© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Zum Golde drängt nicht alles hin
Währungspolitik: Die Flucht ins Edelmetall hält an / Ein neuer globaler Goldstandard ist unrealistisch
Wilhelm Hankel

Die Flucht ins Gold hat den Charakter eines Volksaufstandes gegen die Überflutung mit Papiergeld angenommen. Ob in den USA oder der EU: Die Regierungen und ihre (angeblich unabhängigen) Zentralbanken ziehen aus der von den Banken herbeigeführten Finanzkatastrophe die abstruse Konsequenz, eine seit Jahrzehnten mit Papier-Krediten aufgeblähte Blase der Vermögenspreise (Aktien, Immobilien, Zertifikate) mit unvorstellbaren Summen frisch gedruckten Papiergeldes bekämpfen zu können. Ist es Wahnsinn, so hat er doch Methode.

Der Teufel der Verwässerung der Realvermögen („asset inflation“) soll mit dem Beelzebub einer anhaltenden Verwässerung der Realeinkommen (Inflation der Verbraucherpreise, Kaufkraftverfall) sowie der nachhaltigen Zerrüttung der Staatsfinanzen (drohenden Staatsbankrotten) ausgetrieben werden. Deutschland hat sich durch seine Kanzlerin und ihren Finanzminister ohne erkennbare Not in diesen Teufelskreis eingebracht, in dem es dazu beiträgt, kaum drohende Staatsbankrotte innerhalb der Euro-Zone mit seinen Garantien und Einzahlungen in den Euro-Rettungsfonds (EFSF) zu verschleppen. Was sonst als Konkursverschleppung bestraft wird, gilt in der EU-Politik als hehres Ziel.

Das erklärt, warum Bürger, die um ihr Erspartes fürchten, ins Gold fliehen – „jenes barbarische Relikt“ (John Maynard Keynes), aus dem in den Jahrtausenden vor Erfindung von Banknote und Kreditkarte das Geld bestanden hat, das offizielle der Münzen und das private in den Kellern und auf den Konten der Banken. Zwei Daten der jüngeren Zeitgeschichte sollten jedoch an die Folgen sachwertgebundener Währungen und daraus abgeleiteter Rettungsanker erinnern. Am 21. September 1931 gab Großbritannien die Gold-Einlöslichkeit seines Pfundes (das ein Jahrhundert als globales Gold-Zertifikat gedient hatte) auf, nachdem es sie 1925 nach kriegsbedingter Unterbrechung unter seinem Schatzkanzler Winston Churchill wieder eingeführt hatte – gegen den Rat von Keynes, der aus dem damaligen Irrtum Churchills die erste Krisentheorie der modernen Ökonomie verfaßte. Mit der Pfund-Bindung an das Gold war London außerstande, die Inlandskrise und die der damaligen Weltwirtschaft zu bekämpfen. Das zweite Datum ist der 15. August 1971, als US-Präsident Richard Nixon die (nur noch für ausländische Zentralbanken bestehende) Gold-Einlöslichkeit des Dollars aufhob, weil die USA nicht mehr bereit waren, den Rest ihrer Goldvorräte zur Begleichung ihrer Defizite einzusetzen. Nixon gab damit den Weg in die bis heute anhaltende Aufweichung des Dollar frei.

Und heute? Die Sympathisanten einer Rückkehr zum Goldstandard – darunter Weltbank-Chef Robert Zoellick – machen sich allerdings nicht klar, was diesmal die Folgen eines solchen Schrittes wären. Unter Ökonomen herrscht kein Zweifel, daß die heutige Goldmenge nicht einmal für die G-20-Währungen ausreicht. Experten der Wirtschaftswoche errechneten aus den jeweiligen Geldmengen und den Goldreserven der Zentralbanken so phantastische Ankaufspreise wie rund 7.500 Dollar (bedeutet eine Steigerung des Goldpreises um 530 Prozent), 3.200 Euro (um 310 Prozent), 2.200 Franken (um 160 Prozent), 20.000 Pfund (um 2.300 Prozent) oder 4,1 Millionen Yen (um 3.500 Prozent) pro Unze.

Die Folge für die Weltwirtschaft wären Wechselkursverschiebungen und dann die Eröffnung eines unkalkulierbaren Inflationsspielraumes – weit höher als aus der gegenwärtigen Papiergeld-Inflation. Jede Zentralbank könnte bei Goldzuflüssen weit mehr drucken als heute. Die Preise für Güter wie Vermögenstitel würden explodieren und jeder Goldsparer bekäme es zu spüren, wenn er sein Goldvermögen auflöst oder umschichtet. Es gibt daher keine Rückkehr zu einem Geld-Rohstoff aus den Tiefen der Erde, belastet mit dem doppelten Zufall der Fundorte und der Ergiebigkeit der Minen-Technik. Das Glück der wenigen Goldländer, die ihren Wohlstand aus ihren Geld-Rohstoffexporten ziehen (wie andere aus Öl), bedeutet für alle Nicht-Goldländer, daß sie diesen Geldrohstoff teuer verdienen müßten: durch reale Exportüberschüsse! Dies trägt weder zum Frieden noch zum Gleichgewicht in der Weltwirtschaft bei und stürzt sie in die weder vorhersehbaren noch vermeidbaren Wechselbäder periodisch wiederkehrender Deflations- oder Inflationsschocks wie 1931 und 1971.

Das stetige und reale Wachstum der Weltwirtschaft und ihrer Volkswirtschaften verlangt eine rationale und keine von Goldfunden und -preisen zufallsabhängige Geld- und Kreditversorgung. Den gesetzlichen Rahmen dafür zu Hause und den völkerrechtlichen Rahmen dafür in der „globalen“ Weltwirtschaft herzustellen – das ist zur Bekämpfung dieser und Vermeidung künftiger Krisen der Auftrag an die Politik von heute.

Denn daß weder wild spekulierende Finanzmärkte noch ein „Laissez-faire“ der Bankwelt dazu in der Lage sind, das beweist die Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die Politik steht unter Beweis- und Bewährungszwang, ob sie verstanden hat, was hinter dem Aufstand gegen ihre Papiergeld-Produktion steht: die Erwartung der Bürger und Sparer, daß sie die gegenwärtige Geld-Ordnung von Grund auf krisenfest und betriebssicher macht. Es bedarf zu Hause einer strengen Finanzaufsicht und draußen in der Weltwirtschaft eines stabilen Weltwährungssystems, damit die Globalisierung, eine Wohlstandsquelle der Nationen, nicht zu einer Wohlstandsfalle wird. Darum geht es – und nicht den Rückzug in die Geld-Geschichte.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel leitete unter Karl Schiller die Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und war Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Kürzlich erschien die Neuauflage seines Buches „Die Euro-Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen“.

Foto: Rückkehr zum Goldstandard: Die heutige Goldmenge reicht nicht einmal für die Währungen der G20-Länder aus

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