© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Lockerungsübungen
Partnering ausbauen
Karl Heinzen

Das Bundesministerium des Innern hat bestätigt, daß die zum Schutz des Castor-Transports eingesetzten deutschen Polizeikräfte durch einen französischen Kollegen unterstützt worden sind. Dieser sei ein Angehöriger jenes Kommandos gewesen, das den Zug seit seinem Aufbruch in unserem Nachbarland begleitet hätte. Die Hilfestellung, die er Bundespolizisten geleistet habe, als diese durch Demonstranten in Bedrängnis gebracht worden seien, stütze sich auf den Prümer Vertrag zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten und dürfe daher als rechtmäßig betrachtet werden. Von einer Amtsanmaßung und einem Verstoß gegen das Waffengesetz, wie es der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Die Grünen) unterstellt, könne daher nicht gesprochen werden.

Es ist unwahrscheinlich, daß ein Gericht in der Würdigung dieses Vorfalls zu einem anderen Ergebnis als das Innenministerium gelangt. Er sollte daher nicht als ein Skandal, sondern als ein Denkanstoß betrachtet werden. Die deutschen Polizeikräfte sind heute nicht mehr darauf eingestellt, mit einer linksbürgerlichen Protestkultur nach dem Vorbild der 1970er konfrontiert zu werden. Zudem haben sie es mit Naziaufmärschen zu tun, die vor drei Jahrzehnten unbekannt waren, und auch bei Fußballspielen sind sie heute mehr denn je gefordert, um Hooligans in Schach zu halten. Das Ergebnis ist eine nicht mehr zu verantwortende Überbelastung der Polizisten und eine zunehmende Unattraktivität des Berufs.

Deswegen muß hier dringend für Entlastung gesorgt werden. Diese kann zum einen durch die verstärkte Beauftragung privater Sicherheitsdienstleister erreicht werden, denen aber dann auch unter Hintanstellung des staatlichen Gewaltmonopols hoheitliche Befugnisse einzuräumen wären. Zum anderen bietet eine stärkere internationale Arbeitsteilung einen Ausweg, in der Staaten mit aktuell zugespitzter Sicherheitslage auf einen Pool aus Polizeikräften anderer Länder zur Deckung ihres vorübergehend höheren Bedarfs zurückgreifen können. Hier wären nicht nur EU-Partner einzubeziehen. Warum sollte es beispielsweise nicht möglich sein, afghanische Sicherheitskräfte auch in Deutschland auszubilden – im „Partnering“ bei Castor-Demonstrationen der Zukunft?

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen