© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Gestiegene Versicherungsprämien gefährden Berufsstand
Hebammen in Not
Jens Jessen

Im 19. und 20. Jahrhundert leisteten freie Hebammen Geburtshilfe im Zuhause der Gebärenden und versorgten Mutter und Kind im Wochenbett. Heute gibt die gesundheitspolitische Lage Anlaß zur Sorge um die Hebammen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Ländern Europas ist die Schwangerenversorgung in eine Krise geraten. Unzureichende Arbeitsbedingungen und schlechte Vergütung führen zu einer ständigen Verringerung der Zahl praktizierender Hebammen.

Zum 1. Juli ist die Jahresprämie der beruflichen Haftpflichtversicherung für Hebammen bei Hausgeburten von 2.370 auf 3.689 Euro erhöht worden. Das Jahresdurchschnittseinkommen einer Hebamme beträgt etwa 14.000 Euro netto. Die Zahl der Hebammen, die Hausgeburten anbieten, nimmt daher weiter ab. In den ländlichen Gebieten werden die Schwangeren keine andere Wahl mehr haben, als in eine Klinik zu gehen. Ob das möglich ist, hängt davon ab, ob diese Klinik noch Geburtshilfeverträge mit niedergelassenen Frauenärzten hat. Da auch für die Ärzte die Versicherungsprämien deutlich erhöht wurden, haben viele Mediziner die Geburtshilfeverträge mit Kliniken gekündigt. Deshalb müssen Schwangere zur Entbindung zwischen 20 und 50 Kilometer zur nächsten Klinik gefahren werden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Hebammen als die am besten befähigte Berufsgruppe zur Betreuung der normalen Schwangerschaft und Geburt. In den Niederlanden hat das Gesetz für die individuellen Heilberufe von 1995 die Rolle der Hebammen gestärkt und damit der WHO-Vorgabe Rechnung getragen. In Deutschland verspricht nun Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) den Hebammen Unterstützung bei ihren finanziellen Problemen. Durch eine gesetzliche Regelung sollen die Gesamtaufwendungen der Hebammen stärker bei den künftigen Vergütungsverhandlungen berücksichtigt werden.

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