© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

Der Geist der Abschreckung
Nato-Gipfel: In Lissabon soll eine neue Strategie des Bündnisses verabschiedet werden
Michael Wiesberg

Eine neue Strategie für die Nato. Dieses Thema dürfte auf dem kommenden Nato-Gipfel in Lissabon (19./20. November) im Mittelpunkt des Interesses der 28 Mitgliedsstaaten stehen. Grundlage des Strategieentwurfs von Nato-Generalsekretär Rasmussen ist ein über 50 Seiten starkes Papier der Albright-Kommission mit dem Titel „Nato 2020: Assured Security; Dynamic Engagement“. Nach Auffassung dieser Kommission, die unter Leitung der ehemaligen US-Außenministerin stand, müsse vor allem die Flexibilität der Nato erhöht werden, um auf die vielfältigen Gefährdungslagen besser reagieren zu können. Zu den neuen Bedrohungen gehörten demnach Raketenangriffe, terroristische Anschläge und Cyberattacken. Überdies unterstrich Rasmussen, daß sich die Nato auch weiter Interventionen außerhalb des Bündnisgebietes vorbehalte.

Daß dabei auch geostrategische Aspekte eine Rolle spielen könnten, hatte Verteidigungsminister zu Guttenberg bereits durchblicken lassen, als er erklärte: „Die Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen sind ohne Zweifel unter militärischen und geostrategischen Gesichtspunkten zu betrachten.“ Es bleiben mit Blick auf die neue Nato-Strategie allerdings Fragen. Wie begegnet die Nato dem Druck auf die Verteidigungshaushalte in den Mitgliedsländern? Nur sechs der 28 Mitglieder erfüllen derzeit die Zielvorgabe, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Rüstungsausgaben bereitzustellen. Nicht zuletzt davon wird die Antwort auf die Frage abhängen, wie viele Operationen die Nato in Zukunft führen kann.

Im Mittelpunkt des neuen Konzepts soll aber die Raketenabwehr stehen, in die auch Rußland eingebunden werden könnte. Aus Sicht von Außenminister Guido Westerwelle, der Anfang des Monats in Moskau für eine gemeinsame Raketenabwehr warb, komme deshalb die Teilnahme  von Präsident Dmitri Medwedew große Bedeutung zu. Aus deutscher Warte, unterstrich Westerwelle, werde das Thema Abrüstung ein entscheidendes Thema sein. Er bekräftigte seine Forderung nach einem vollständigen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Ob er Erfolg hat, erscheint zweifelhaft. Sowohl Rasmussen als auch Albright lassen keinen Zweifel aufkommen, daß die nukleare Abschreckung für die Nato weiterhin unverzichtbar ist. Solange die Nato existiere, solle sie „sichere und verläßliche Nuklearkräfte“ behalten.

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