© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/10 19. November 2010

„Irrlicht größeren Ausmaßes“
Gender Mainstreaming: Christliche Politiker greifen den Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung scharf an
Felix Krautkrämer

In christlichen Kreisen ist man derzeit nicht gut auf Thomas Krüger zu sprechen. Nachdem der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung vor zwei Jahren durch den Vergleich von Evangelikalen mit Islamisten vor allem Protestanten gegen sich aufbrachte, laufen nun konservative Katholiken gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sturm. Anlaß ist dessen Rede auf dem Kongreß „Das flexible Geschlecht: Gender, Glück und Krisenzeiten in der globalen Ökonomie“ Ende Oktober in Berlin (siehe Seite 7). Darin hatte Krüger laut Redemanuskript die gesellschaftliche Stellung der Frau in der DDR und den Kampf der „Feministinnen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg für Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht“ in Deutschland hervorgehoben. Zudem hatte er gefordert, das „Prinzip des Gender Mainstreaming als zentrale Dimension aller gesellschaftlichen und politischen Bereiche umzusetzen“.

Dem Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU, Martin Lohmann, geht das entschieden zu weit. Krüger habe sich durch seine Rede auf dem Kongreß als „mentales Irrlicht größeren Ausmaßes“ entblößt und sei an der Spitze einer solch wichtigen Institution wie der Bundeszentrale für politische Bildung nicht mehr tragbar, sagte Lohmann der JUNGEN FREIHEIT. Wer so einen „blühenden Unsinn“ zu Lebensrechtsfragen und der Wertschätzung der Familie von sich gebe, sollte eine mehrjährige Auszeit zum Nachdenken nutzen.

Ähnlich äußerte sich auch der Sprecher der Christsozialen Katholiken in der CSU, Thomas Goppel: „Herr Krüger hat eine hohe staatliche Position inne und muß sich deshalb zumindest an das geltende Mäßigungsgebot erinnern lassen“, sagte der frühere bayerische Staatsminister. Für ihn stelle sich das Problem jedoch nicht erst seit der beanstandeten Rede. Vielmehr hätte Krüger nie zum Präsidenten der Bundeszentrale ernannt werden dürfen, schließlich sei dessen Haltung bekannt gewesen. Sein Vorwurf richte sich daher auch an die politisch Verantwortlichen. Er hoffe deshalb, daß Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Mitglieder des Kuratoriums zur Kontrolle der Arbeit der Bundeszentrale nun an ihre Pflichten erinnere. Krüger ignoriere mit seinen Äußerungen das christliche Menschenbild und trete das daraus abgeleitete Verständnis von Familie und Kindererziehung mit Füßen. „Seine Ausführungen laufen auf eine Vernichtung des von der Natur vorgesehenen Unterschieds der Geschlechter hinaus“, warnte der bayerische Landtagsabgeordnete.

Scharfe Kritik kam auch von der CDU-Vereinigung „Christdemokraten für das Leben“ (CDL). Krüger müsse zurücktreten, forderte die CDL-Vorsitzende Mechthild Löhr. Seine „völlig einseitigen linksideologischen Überzeugungen“ könne er zu seinem privaten Vergnügen ausleben, nicht aber auf Kosten des Steuerzahlers. Und selbst der als liberal geltende Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück (CSU), ging auf Distanz zu Krüger. „Ich teile die Positionen nicht“, sagte Glück auf Anfrage der JF.

Bei der Bundeszentrale dagegen wird Gender Mainstreaming weiter großgeschrieben: „Gender Mainstreaming wird von uns als Querschnitts- und Gemeinschaftsaufgabe verstanden und findet sowohl auf die Organisation wie auf das Handlungsfeld Anwendung“, heißt es im Selbstverständnis der BpB. Auf ihrer Internetseite bietet sie über 500 Links zum Thema Gender Mainstreaming sowie eine „Gender-Bibliothek“ mit verschiedenen Aufsätzen zum Herunterladen an. Zudem ließ die Bundeszentrale in ihrer Schriftenreihe 8.094 Exemplare des Buches „Gender Mainstreaming“ von Michael Meuser und Claudia Neusüß nachdrucken. Kosten: 8.166 Euro.

Im Vergleich zu dem Betrag, den die BpB für den Kongreß Ende Oktober bewilligte, handelt es sich jedoch um Kleingeld: Stolze 120.191 Euro veranschlagte die Bundeszentrale für die Veranstaltung. Aufgrund der großen Nachfrage von 600 Anmeldungen und „dem damit verbunden Mehraufwand“ könne die endgültige Summe jedoch noch nicht beziffert werden, sagte der Sprecher der BpB, Daniel Kraft.

 

BpB-Finanzen

Der BpB standen 2009 38,4 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kamen Mittel aus verschiedenen Ministerien in Höhe von 800.000 Euro sowie Einnahmen in Höhe von 4,4 Millionen Euro.  Den Großteil (25,5 Millionen) verwendete die BpB laut Jahresbericht für „Sacharbeit“. Darunter fallen Veranstaltungen, Publikationen sowie die „Förderung von Bildungsträgern“.

Foto: Auflösung der „Geschlechterrollen“ als Ziel: „Thomas Krüger hätte nie Präsident werden dürfen“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen