© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

Lockerungsübungen
Entlastung für die Produktion
Karl Heinzen

Der konjunkturelle Aufschwung übertrifft alle Erwartungen, doch ist Vertrauen in die langfristige Stärke des Standorts Deutschland nicht überall anzutreffen. Insbesondere Industrieunternehmen, die in der Produktion einen hohen Energieaufwand betreiben müssen, schlagen Alarm. Die Strompreise haben sich seit dem Amtsantritt von Angela Merkel nahezu verdoppelt, dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Der Eifer, in der Reduktion von CO2-Emissionen weltweit eine Vorreiterrolle zu spielen, treibt auch die schwarz-gelbe Koalition zu immer neuen kostenträchtigen Auflagen für die Wirtschaft – nicht auszumalen, wenn erst die eigentlichen Grünen wieder regieren.

Für Aluminium-, Stahl- oder Zementproduzenten, aber auch so manchen chemischen Konzern sind Investitionen in neue Anlagen in der Bundesrepublik bereits heute nicht mehr zu verantworten. Überdies spielen sie mit dem Gedanken, hierzulande schon vorhandene Kapazitäten in andere Weltregionen zu verlagern. Dadurch droht ein Schneeballeffekt ausgelöst zu werden. Der Landesflucht der Rohstoffproduzenten könnten sich nicht wenige Unternehmen anschließen, die eben diese Rohstoffe weiterverarbeiten.

Unternehmen werden das Lockmittel attraktiver Löhne nur maßvoll einsetzen müssen.

Genau besehen ist diese Entwicklung aber alles andere als alarmierend. Letztlich werden nämlich alle Beteiligten aus ihr einen Nutzen ziehen. So dürfte die Produktionsverlagerung ins Ausland die Kostenstrukturen und damit die Ertragslage der Unternehmen markant verbessern. Der Export hochqualifizierter Arbeitsplätze senkt die Nachfrage nach entsprechendem Personal in Deutschland. Die schon für die nahe Zukunft prognostizierten Engpässe in der Gewinnung geeigneter Beschäftigter dürften somit nicht so dramatisch wie befürchtet ausfallen. Folglich werden die Unternehmen das Lockmittel attraktiver Löhne und Gehälter nur sehr maßvoll einsetzen müssen. Vielleicht können sogar am Bedarf nach gut ausgebildeten Einwanderern Abstriche vorgenommen werden.

Vor allem aber leistet Deutschland auf diese Weise seinen Beitrag zur Harmonisierung der europäischen Wirtschaft. Unsere Partnerstaaten sind in der Deindustrialisierung schon weit fortgeschritten, nun ist die Verfolgungsjagd eröffnet. Damit werden auch Handelsbilanzungleichgewichte ein Ende haben. Wenn Deutschland weniger produziert, kann es auch weniger exportieren.

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