© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

CD: Volkslieder
Nur frisch gesungen
Sebastian Hennig

Wenn der Anreger dieses umfangreichen mehrteiligen Liederprojektes, Cornelius Hauptmann, die Chamisso-Verse singt: „Hab oft im Kreise der Lieben ...“, dann klingt es wie das Leitmotiv dieses Paradiesgartens der Sangeskunst, den der „Volkslieder“-Tonträger bereiten Ohren aufschließen möchte. Nicht der stumme Konsument ist gefragt. Die Anregung soll Regsamkeit bewirken. Auch die verstocktesten Zungen werden gelöst, damit die Lippen sich um Töne runden: Schluß mit dem Mißtrauen gegen die Chorlied-Seligkeit! Das Lied schließt mit den Worten: „Nur frisch, nur frisch gesungen, und alles wird wieder gut.“

Auch die Kunstlieder unter den volkstümlichen Stücken, zum Beispiel aus den Sammlungen von Brahms oder Zuccalmaglio, sind unangestrengt und eingängig. Die verschiedenen Sänger mit ihrem je eigenen Klang, mal im Chor, mal im kleinen Ensemble, selten instrumental, überwiegend begleitete Solisten, vermitteln den Eindruck einer guten Gesellschaft. Im 135seitigen illustrierten Beiheft werden alle Interpreten knapp vorgestellt, den Hauptteil aber nehmen die Liedtexte und deren englische Übersetzungen ein. Für die ganz Aktiven gibt es extra ein Buch mit Noten samt Mitsing-CD für 72 Lieder. Christoph Mett gestaltete Bilder und Vignetten, die zwischen Pop und Nostalgie klug die Waage halten.

Den künstlerischen Facetten entsprechen die geographischen. Von Gamben begleitet klagt der Countertenor Franz Vitzthum: „Innsbruck, ich muß dich lassen.“ (Eine Anmerkung zum Text klärt auf, daß Elend der althochdeutsche Begriff für Ausland ist.) Diese Verse schmiedete vermutlich der „Letzte Ritter“ Kaiser Maximilian I. Juliane Banse und Olaf Bär ergreifen mit dem Feinsliebchen, das keineswegs barfuß gehen, sondern lieber um ein Paar Schühlein fein, einem Mann zu eigen sein soll. Worte und Weise stammen ursprünglich aus dem mährischen Kuhländchen. Nach Peter Schreiers Jahrhundertstimme rumpelt gleich der tschechische Jazzmusiker Libor Sima wie ein verbeultes Orchestrion „Im Frühtau zu Berge“ daher. Das klingt wie die Begleitung zu einem unsichtbaren Trickfilm, taugt aber hervorragend zur Neutralisierung des Gemütes, wie das Satyrspiel im antiken Theater. Das schwäbische, tieftraurige „Die Schwälble ziehet fort“ wird durch ein instrumentales „Ade zur guten Nacht“ vom jiddischen „Papir is doch waiß“ geschieden. Erzwungen drollig wirkt der mehrsprachige „Bruder Jacob“-Kanon von „Wir Kinder vom Kleistpark“.

Die meisten der noch aktiven Musiker fanden sich unentgeltlich zu einer Neueinspielung in einem der Studios der am Unternehmen beteiligten Sendeanstalten ein. Im einleitenden Text ist die Rede davon, daß selbst die erklärten Ruheständler Peter Schreier und Kurt Moll noch einmal aktiv geworden sind. Auf der CD allerdings ist Moll gar nicht zu finden und Schreier mit einer fabelhaften Aufnahme von 1986.

Im März 2011 soll eine weitere CD folgen. Vielleicht sind dort die raren Einspielungen dann vertreten, falls sie nicht verworfen wurden. Begonnen wurde die Singe-Animierung vor einem Jahr mit „Wiegenlieder“. Nach den zwei Volksliederausgaben soll sie bis 2012 fortgesetzt werden mit Kinderliedern und Weihnachtsliedern.

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