© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

Ein notwendiges Zeichen
Volkswille: Die deutsche Sprache soll im Grundgesetz verankert werden
Thomas Paulwitz

Ausgerechnet mit Hilfe der Bild-Zeitung kommt wieder Schwung in das Bemühen, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern. Am Dienstag übergaben der Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) und der Verein Deutsche Sprache (VDS) knapp 50.000 Unterstützerunterschriften an Bundestagspräsident Norbert Lammert. Aus diesem Anlaß druckte die Bild-Zeitung ein Musterschreiben ab, das an die Bundestagsabgeordneten und die Mitglieder der Bundesregierung gerichtet ist. Mehrere tausend Bild-Leser sollen es unterschrieben haben. Es richtet sich vor allem gegen unnötige Anglizismen und gegen die Weigerung bestimmter Einwanderer, die deutsche Sprache zu erlernen.

Etwas eigenartig wirkt dabei das von Bild vorgeschlagene Bekenntnis: „Ich will keine Jobs, die mit ‘key account’ oder ‘facility management’ schöngeredet werden!“ Hat doch auch das Wort „job“ vielerorts den guten alten „Arbeitsplatz“ verdrängt. Schließlich geht mit dem Wechsel der Bezeichnung häufig auch ein Verlust der Wertschätzung der Arbeit einher. „BILDblog“ kommentierte denn auch hämisch, Bild habe „Den Job zum Gärtner gemacht“. Wer – außer den Deutschverweigerern – würde aber nicht den folgenden Satz unterschreiben? „Ich will keine Zuwandererfamilien, die sich bis in die dritte Generation weigern, die Sprache des Landes korrekt zu lernen, in dem sie leben!“ Am Schluß gipfelt das Formular dann in der mit roten Großbuchstaben hervorgehobenen Forderung: „ICH WILL, DASS UNSERE MUTTERSPRACHE GESCHÜTZT WIRD!“ Weiter heißt es: „Deshalb fordere ich Sie auf: Nehmen Sie die deutsche Sprache endlich in unser Grundgesetz auf.“

Bei einer solchen Begründung kann man nur hoffen, daß die Erwartungen nicht zu hoch geschraubt werden, damit es nicht zu um so größeren Enttäuschungen kommt. Die Erweiterung des Grundgesetzes um die deutsche Sprache bedeutet nämlich kein Sprachgesetz: keinen Zwang, Anglizismen zu vermeiden; keinen Zwang für Einwanderer, Deutsch zu lernen; keine Sprachpolizei, die sich um die Einhaltung des Vorrangs der Landessprache kümmert.

Es geht also weder um ein Fremdwortverbot noch gar um die Ausgrenzung von Minderheiten oder um Deutschtümelei, wie eingewandt wurde. Es geht statt dessen um ein Bekenntnis zur deutschen Sprache. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) schreibt in der neuesten Ausgabe der Deutschen Sprachwelt, worum es wirklich geht: „Durch die Erhebung der deutschen Sprache in den Verfassungsrang verdeutlichen wir, welche Bedeutung und Wertschätzung wir unserer Sprache einräumen.“ Die weitaus meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben übrigens ihre Landessprache in der Verfassung stehen.

Immer wieder zeigt sich, daß der gegenwärtige Zustand der deutschen Sprache ein solches Zeichen mehr als notwendig macht. Immer mehr Alltagsbereiche sind nur noch für eine Minderheit zugänglich, da die Sprache nicht mehr für alle verständlich ist. Längst sind dabei nicht mehr nur ärgerliche und entbehrliche Anglizismen das wesentliche Übel. Vielmehr steht auf einzelnen Gebieten der Austausch der gesamten deutschen Sprache durch Englisch auf dem Programm, zum Beispiel an den Universitäten oder in der Europäischen Union. Die Verankerung der deutschen Sprache in der Verfassung würde all jenen Rückenwind geben, die diese unerträgliche Entwicklung bremsen, aufhalten, umkehren wollen. Mit dem Hinweis auf das Grundgesetz könnte es künftig leichter fallen, den Sprachverderbern die grundlegende Bedeutung einer gepflegten deutschen Sprache für Verständlichkeit und Identität klarzumachen.

Die Bild-Zeitung weiß natürlich – wie schon in der Sarrazin-Debatte – das Volk auf ihrer Seite. Bereits im September 2006 sprachen sich in einer TNS-Infratest-Umfrage für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel 78 Prozent der repräsentativ befragten Bürger dafür aus, Deutsch als Staatssprache im Grundgesetz zu verankern. Nach einer Emnid-Umfrage für Bild am Sonntag im Dezember 2008 waren 73 Prozent der Befragten dafür, den Satz „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ ins Grundgesetz aufzunehmen. Laut einer repräsentativen Umfrage der Technischen Universität Dresden Anfang 2009 waren 85 Prozent der Deutschen für eine Ergänzung des Grundgesetzes um die deutsche Sprache.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags hätten mit einer Verfassungsänderung also die Möglichkeit, dem Volkswillen zu entsprechen. Dennoch konnte sich die von Norbert Lammert begründete Idee innerhalb der letzten vier Jahre nicht durchsetzen. Denn eine Grundgesetz-Erweiterung gleicht häufig eher einem Basar der unterschiedlichen Interessengruppen. Das Ringen um die beste Formulierung des Volkswillens gerät da leicht in den Hintergrund. Die SPD meldete zum Beispiel an, daß es zahlreiche andere, wichtigere Bereiche wie Kinderrechte und „Sport als wichtiges Lebensgut“ gebe. Die FDP wiederum möchte gern das Staatsziel Kultur verankert wissen. Am Ende könnte also möglicherweise die Verfassungsergänzung nur zu dem Preis erkauft werden, daß das Grundgesetz zusätzlich mit allerlei Nebensächlichem aufgebläht wird.

Zudem verlassen sich Politiker zu wenig auf den Rat der unabhängigen Sprachvereine und Bürgerinitiativen, die das Anliegen der Mehrheit vertreten. Statt dessen setzen sie zu sehr auf die Beratung durch die Spracheinrichtungen, die der Steuerzahler finanziert, und die sich im „Deutschen Sprachrat“ zusammengeschlossen haben. Diese sind jedoch von Sprachwissenschaftlern besetzt, die der Lehrmeinung anhängen, daß Sprache „nur beobachtet“ werden dürfe und jegliche Bestrebungen für die deutsche Sprache abzulehnen seien. Unter dem Einfluß dieser unzulänglichen Politikberatung empfahl auch der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestags vor einem Jahr, mehrere Eingaben für Deutsch im Grundgesetz abzulehnen.

Vor zwei Jahren beschloß der CDU-Bundesparteitag gegen den erklärten Willen der Parteispitze, die Partei solle sich dafür einsetzen, daß das Grundgesetz um den folgenden Satz ergänzt werde: „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch.“ Auf dem diesjährigen Bundesparteitag der CDU vom 14. bis 16. November in Karlsruhe besteht eine gute Gelegenheit, die Parteispitze an die Umsetzung des Beschlusses von 2008 zu erinnern.

 

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich in Erlangen erscheinenden „Deutschen Sprachwelt“.  www.deutsche-sprachwelt.de

Foto: Vorgeschlagener neuer Grundgesetz-Artikel: Die meisten EU-Staaten haben ihre Landessprache in der Verfassung stehen

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