© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/10 12. November 2010

„Die Rechten sind intelligenter geworden“
Populismusdebatte: Eine Tagung in Berlin zeigt, wie sehr die Erfolge rechter Parteien in Europa die Linke verunsichert haben
Ekkehard Schultz

Die Wahlerfolge rechter Parteien in Europa treiben die politsche Linke zunehmend um. Die wachsende Verunsicherung wurde in der vergangenen Woche auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin spürbar, auf der nach europaweiten Strategien gegen das beklagte Erstarken von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus gesucht wurden.

Der stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Hannes Swoboda, kritisierte dabei den Gebrauch des Begriffes Rechtsextremismus. Mit der Bezeichnung würden zahlreiche Phänomene nur unzureichend erfaßt. Viele aktuelle politische Erscheinungen könnten im klassischen Sinne nicht als „extremistisch“ bezeichnet werden, sagte Swoboda. Daher sei es notwendig, die Gegenstrategien zu modifizieren. Zwar gebe es gerade in Deutschland und Österreich starke rechtliche Instrumente gegen den Rechtsextremismus. Der SPÖ-Politiker warnte aber vor Übertreibungen. Diese seien kontraproduktiv, insbesondere dann, wenn es „den Rechten gelinge, sich selbst als Opfer der Political Correctness“ darzustellen.

Auch Rafal Pankowski von der „Never Again Association“ aus Polen beklagte, daß „Rassisten“ heute oft nicht nur „schlauer als Antirassisten“ agierten, sondern zudem auch die Möglichkeiten der modernen Kommunikation besser nutzten. Auf diese Weise würden sie etwa im Internet Meinungen verbreiten, „die an anderen Orten nicht direkt akzeptiert werden“. Dies mache wiederum extremistische Positionen nicht nur hoffähiger, sondern beeinflusse zugleich auch die gesellschaftliche Realität nachhaltig, zumal es oft an Widerspruch mangele.

Auch Valentin Gonzalez, Vorstandsmitglied des europäischen Netzwerks „Against Racism“ attestierte der extremen Rechten, „deutlich intelligenter geworden“ zu sei. Dies zeige sich unter anderem daran, daß es ihr gelinge, weit größere Schichten als früher anzusprechen, selbst wenn sich diese Tatsache häufig noch nicht in vollem Umfang in den Wahlergebnissen niederschlage. Zudem fielen Teile der Rechten durch ein deutlich „geschickteres Agieren“ auf. So zeige sich etwa bei der Islamkritik, daß dabei durchaus auf reale Gefahren Bezug genommen werde. Schon aus diesem Grunde dürften entsprechende Gegenkonzepte „nicht die Tatsache ignorieren, daß es eine tatsächliche Bedrohung gibt“.

„Unvergleichbar mit anderen Straftaten“

 Nach Ansicht von Alexander Pollak von der Abteilung „Bürgerrechte und Gleichstellung“ der Agentur für Menschenrechte der Europäischen Union (FRA) dürfe „nicht nur der Rechtsextremismus als solcher bekämpft“ werden. Besonders wichtig sei es, in der Öffentlichkeit stets offensiv herauszustellen, daß eine demokratische Gesellschaft nur auf der Grundlage einer strikten Gleichheit aller Menschen aufgebaut werden könne. Besonders wichtig sei in diesem Zusammenhang, noch stärker für den Multikulturalismus zu werben. Ein Scheitern der multikulturellen Gesellschaften sei nicht möglich, da sie in vielen europäischen Staaten eine

unveränderbare Realität seien. Scheitern könne lediglich eine Politik, die sich dieser Realität nicht stellen wolle, glaubt Pollak. Unterstützung erhielt er von Eva Smith Asmussen, Mitglied des Büros der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz. Smith Asmussen kritisierte, daß zahlreiche linke und liberale Gruppen und Organisationen viel zu defensiv agierten.   

Zuvor hatten die Teilnehmer der Konferenz versucht, konkrete Handlungsoptionen zu benennen. Gefordert wurde dabei vor allem, mehr „Argumente gegen rechtsextreme Behauptungen und Theorien“ zu entwickeln und ein stärkeres Bewußtsein dafür zu schaffen, daß „ein enger Zusammenhang zwischen rechtsextremer Agitation und Haßverbrechen“ bestehe. Diese seien wiederum „unvergleichbar mit anderen Straftaten“ und daher „mit diesen unter keinen Umständen gleichzusetzen“. Zudem müßten „rechtsextreme Gewalttaten noch besser dokumentiert“ und „mehr finanzielle Mittel für die Forschung über den Rechtsextremismus bereitgestellt“ werden.

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