© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/10 05. November 2010

Gerücht der Woche
Grüne Träume vom Kanzleramt
Marcus Schmidt

Das Umfragehoch der Grünen bringt die Berliner Gerüchteküche zum Brodeln. In Baden-Württemberg und Berlin liegt die Partei seit Wochen vor der SPD. Aus der rot-grünen Machtoption ist dort längst eine grün-rote geworden, und ein Ministerpräsident Cem Özdemir oder eine Regierende Bürgermeisterin Renate Künast (JF 44/10) gelten als durchaus realistisch.

Nun haben derlei Spekulationen auch die Bundespolitik erreicht. Die Grünen liegen hier zwar noch hinter der SPD, bringen es in den Umfragen aber bereits auf 21 Prozent. Kein Wunder also, daß sich in Berlin immer mehr die Frage nach einem Kanzlerkandidaten aus den Reihen der ehemaligen Anti-Parteienpartei stellen. Schließlich hatte doch selbst die FDP mit Guido Westerwelle schon einmal einen Kanzlerkandidaten gekürt. In Berlin fällt in diesem Zusammenhang immer wieder der Name Jürgen Trittin. Und in der Tat spricht aus Sicht der Grünen vieles für den Fraktionsvorsitzenden. Spätestens seit seiner Zeit als Bundesumweltminster gibt sich Trittin staatstragend – Anzug inklusive. Aus dem streitlustigen Exponenten des linken Parteiflügels ist längst ein pragmatischer Politiker geworden, der sich zu mäßigen weiß.

Auch bei einem Blick auf das restliche Spitzenpersonal der Partei spricht vieles für das ehemalige Mitglied des Kommunistischen Bundes. Trittins Co-Fraktionsvorsitzende Künast ist durch ihre Ambitionen in der Hauptstadt aus dem Rennen, gleiches dürfte für Parteichef Özdemir gelten. Dessen Co-Vorsitzende Claudia Roth zieht in der Partei niemand ernsthaft in Erwägung; der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn wiederum gilt als farblos. Bleibt also nur Trittin. Wenn das keine Perspektive ist.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen