© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/10 05. November 2010

Den Atem im Nacken
CSU-Parteitag: Karl-Theodor zu Guttenberg zeigt Horst Seehofer die Grenzen auf
Hinrich Rohbohm

Am Ende seiner Rede wird Horst Seehofer gefeiert. Es gibt minutenlange Beifallsbekundungen. Der CSU-Chef winkt in die Menge hinunter zu den 851 Delegierten, die sich am Wochenende auf dem Münchner Messegelände zu einem der wohl denkwürdigsten CSU-Parteitage trafen.

Als der Beifall nicht enden will, wird es Seehofer selbst etwas unangenehm. Er weiß: Die Basis hat ihn noch einmal gerettet. Ihn, den taumelnden Vorsitzenden, dem inzwischen auch klargeworden sein dürfte, daß er mit seinem Sozialpopulismus und ständigem Störfeuer gegenüber den Berliner Koalitionspartnern überzogen hat. „Es kommt auf den Zusammenhalt an, lieber Horst Seehofer, und nicht auf irgendwelche depperten Personaldebatten“, machte ihm kein geringerer als CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg klar.

Wohlwollend könnte man diesen Satz als Loyalitätsbekundung interpretieren. Kritischer betrachtet ist es eine Warnung, eine Ermahnung zur verbalen Mäßigung des Parteivorsitzenden. Denn daß es zwischen München und Berlin immer häufiger mal „geruckelt“ hat, wie sich Seehofer auszudrücken pflegte, daran hatte der CSU-Chef einen maßgeblichen Anteil.

Guttenberg hingegen hat inzwischen den Guru-Status erklommen. Längst wird er als Seehofer-Nachfolger gehandelt. Er ist der heimliche Star des Parteitags. Am Freitag muß „Gutti“ gleich nach „Mutti“ sprechen. Die Kanzlerin ist zu einem Grußwort bei der Schwesterpartei erschienen. Guttenberg hält sich zurück. Nur zwölf Minuten redet er zur Bundeswehrreform. „Wir hören dir aber auch eine Stunde zu“, ruft ein Delegierter unter Beifall.

Applaus gibt es auch für Seehofer. Aber der ist aufgesetzt. Taktisches Klatschen, um den Parteitag zu retten. „So, jetzt ist’s aber gut, sagt der Ministerpräsident, dem die Inszenierung immer unangenehmer wird. Er dreht sich weg, will runter. Runter von diesem Podium, auf dem es keinen Stuhl gibt, auf den er sich setzen könnte. Selbst wenn er da wäre, es wäre ein heißer Stuhl gewesen.

Denn hinter der Fassade des für die Öffentlichkeit als heile CSU-Welt inszenierten Parteitagstheaters brodelt es gewaltig. Seehofer will wie die CDU-Vorsitzende Angela Merkel auf den Pfaden grün-alternativer Politik wandeln und die Frauenquote in der CSU einführen. 40 Prozent der Vorstandsposten auf Bezirks- und Landesebene sollen künftig weiblich besetzt sein. Eine breite Mehrheit der Delegierten will das eigentlich nicht. Das Zähneknirschen der Basis ist bis ins Foyer zu hören. Denn gleichzeitig soll der CSU-Vorsitzende nicht beschädigt, personelle Spekulationen durch eine Abstimmungsniederlage Seehofers nicht unnötig angeheizt werden. Die schwer verdauliche Kröte Frauenquote wird geschluckt. 454 Delegierte stimmen dafür, 350 dagegen. Die Debatte verdrängte den Sieben-Punkte-Plan der Partei zur aktuellen Integratiosdebatte (siehe Kasten) weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung.

Das Paradoxe: Es sind gerade die jungen Frauen, die eine Quote ablehnen. „Wir wollen Qualität statt Quote“, fordert etwa die Forchheimer JU-Kreisvorsitzende Maria Deutschmann. Es ist auch ein Kampf zwischen den Generationen. „Ich wünsche Ihnen, daß sie in der CSU niemals etwas werden“, giftet eine ältere Delegierte eine JU-Funktionärin an, die gegen die Quote gesprochen hatte.

Eine inhaltliche Debatte, wie es sie lange nicht mehr in der CSU gegeben hat. Nahezu der komplette Landesvorstand muß ans Rednerpult, um die skeptische Basis auf Kurs zu bringen. Zuletzt meldet sich Guttenberg zu Wort. Im Saal wird es still. Der Oberfranke, dem selbst ein Unbehagen gegenüber der Quote anzumerken ist, versucht es mit Diplomatie, spricht von einem Versuch, den man einmal wagen sollte. Und davon, daß man eine Quote auch wieder abschaffen könne, wenn sie sich nicht bewähre. Möglich, daß genau das passiert. Wenn Guttenberg im nächsten Jahr Parteivorsitzender wird.

 

Sieben-Punkte-Plan zur Integration

1. Keine Aufweichung des derzeit geltenden Zuwanderungsgesetzes. Einen Zuwanderungsmodus nach Kontingenten oder einem Punktesystem soll es nicht geben. Der Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte sei bereits ausreichend geregelt.

2. Neben der Qualifikation soll die Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit als zusätzliches Kriterium für Zuwanderer herangezogen werden. 

3. Das Nachzugsalter für Kinder soll von 16 auf 12 Jahre herabgesetzt werden. Begründung: Je jünger Kinder bei der Einreise seien, desto besser könnten sie sich integrieren.

4. Konsequente Anwendung von Sanktionsmöglichkeiten, vom Bußgeld bis zur Kürzung von Sozialleistungen.

5. Wer die Integration seiner Familienangehörigen behindert, solle wie bei eigener Integrationsverweigerung sanktioniert werden.

6. Der Nachweis der deutschen Sprache ist bereits vor dem Zuzug im Herkunftsland zu erbringen.

7. Miteinander statt nebeneinander leben auf dem Fundament der Werteordnung des Grundgesetzes und der deutschen Leitkultur, die von den christlich-jüdischen Wurzeln und von Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägt ist.

Foto: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Parteivorsitzender im Wartestand

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