© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

DVD: Harry Brown
Ein Mann sieht rot
Werner Olles

Im klassischen Rachethriller geht es um das Spiel von Jagen und Gejagtwerden, bei dem es von einem bestimmten Punkt an kein Zurück mehr gibt. Wenn die Jagd vorbei ist, dann ist auch der siegreiche Jäger seines Lebenssinns beraubt; entweder er stirbt, oder er wird sich wie Clint Eastwoods „Dirty Harry“, Charles Bronsons Paul Kersey in der legendären „Death Wish“-Serie, Robert de Niros „Taxi Driver“ oder auch Liam Neeson in „96 Hours“ seiner Absurdität bewußt.

Nicht viel anders ergeht es Michael Caine in der Rolle des „Harry Brown“ in Daniel Barbers gleichnamigem Rachefilm. Auch hier geht es darum, daß Gewalt und Kriminalität in den Alltag eingedrungen sind, die kulturelle und soziale Tünche, die es normalen Menschen gestattet, ein normales Leben zu führen, abblättert, und ein einsamer Mann sich plötzlich inmitten gewalttätiger Aktionen und schließlich eines Bürgerkriegs befindet.

Nach dem Tod seiner krebskranken Frau lebt der Rentner Harry Brown (Michael Caine) zurückgezogen und tief deprimiert in einer verwahrlosten Londoner Vorortsiedlung. In dem einstmals blühenden Arbeiterbezirk sind Drogenhandel, Bandenkriege, Vergewaltigungen und Schießereien an der Tagesordnung. Als Harrys einziger Freund und Schachpartner Leonard (David Bradley) eines Tages ermordet wird und die Täter nach ergebnislosen polizeilichen Ermittlungen wieder auf der Straße ihren Rauschgiftgeschäften nachgehen, sieht der ehemalige Kommandosoldat der Royal Marines endgültig rot …

Mit „Harry Brown“ gelang dem britischen Regisseur Daniel Barber ein Rache- und Actionthriller, der suggestiv und kalkuliert alle Mittel eines Gewaltspektakels einsetzt. Mit kühler Eindringlichkeit und analytischer Präzision schildert der handwerklich routinierte und trotz einiger dramaturgischer Unebenheiten ungemein dichte Film die Verbitterung und Verzweiflung seines Helden, der schließlich keinen anderen Ausweg mehr sieht, als zur Selbstjustiz zu greifen. Zugleich verdeutlicht er jedoch, daß der Ausbruch individueller Gewalt häufig mit einem allgemeinen Klima manifester Brutalität und Abstumpfung korrespondiert.

DVD: Harry Brown. Ascot Elite/Eastside Communications, München 2010, Laufzeit etwa 98 Minuten

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