© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/10 29. Oktober 2010

Renate Künast will in Berlin an die Macht und setzt dazu auf Rhetorik statt auf Kompetenz
Die grüne „Schnauze“
Ansgar Lange

Renate Künast möchte gern Koch werden. Ob Klaus Wowereit die Rolle des Kellners zukommen wird, muß man abwarten. Der Hauptstadt steht 2011 bei der Wahl des Regierenden Bürgermeisters also ein Duell „Schnauze gegen Schnauze“ in Aussicht. Sozialdemokraten dürfen hoffen, daß der neue grüne Höhenflug aus dem erschlafften Partylöwen Wowereit endlich wieder einen entschlossenen Kämpfer machen wird. Die personell und inhaltlich ausgezehrte CDU wird sich bei diesem Rennen wohl mit dem undankbaren Part des fünften Rads am Wagen abfinden müssen.

Noch ziert sich die 1955 in Recklinghausen geborene, äußerst ehrgeizige und in der Mitarbeiterführung nicht unbedingt zimperliche Karrierepolitikerin Künast, ihren Hut in den Ring zu werfen. Aller Voraussicht nach wird sie am 5. November bei einem Mitgliederabend der Berliner Grünen ihre Kandidatur bekanntgeben. Ohne Zweifel gäbe sie bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im kommenden Herbst eine sehr gefährliche Gegnerin für Wowereit ab.

In einem wahrscheinlichen Duell der „Kodderschnauzen“ hätte Künast zur Zeit die Nase vorn, weil das demonstrative Herausstreichen der eigenen Homosexualität, flotte Sprüche und Parkettsicherheit in allen Metropolen dieser Welt nicht ausreichen, eine Stadt wie Berlin dauerhaft erfolgreich zu führen. Viele halten Wowereit für amtsmüde und rechnen ihm gute Chancen aus, als Kandidat der Parteilinken dereinst den Kanzlerkandidaten der SPD zu geben.

Renate Künast profitiert zur Zeit davon, daß man den Grünen wahre Wunderdinge zutraut, weil sie kaum in Regierungsverantwortung stecken. Obwohl aus dem Ruhrgebiet kommend, ist Künast mittlerweile in Berlin fest verwurzelt. Mit „harten Jungs“ kennt sie sich aus, schließlich war sie von 1977 bis 1979 als Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel tätig. Im Jahr 1979 trat die Frau mit der strubbeligen Kurzhaarfrisur in die Berliner Alternative Liste ein, die sich später der Bundesorganisation der Grünen anschloß. Wie so viele andere Politiker ist auch sie Juristin und als Rechtsanwältin zugelassen. In ihrem Berliner Wahlkreis erreichte sie bei der letzten Bundestagswahl 26,3 Prozent der Erststimmen.

Ob Künast und Co. für die Nöte der Hauptstadt die richtigen Lösungen haben, müssen die Wähler beurteilen. Ein Kolumnist brachte es allerdings jüngst auf den Punkt: „Für die Kernprobleme Berlins haben die Grünen keine besseren Schlüssel als SPD und Linke. Sie streben die Einheitsschule an, wollen keine Autobahn und keine Flugzeuge am Himmel. Sie haben kein Konzept gegen den Haushaltsnotstand, und für die Probleme zwischen Ausländern und Deutschen nichts als schöne Worte.“

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag wird diese Defizite mit ihrer aggressiven und schlagfertigen Rhetorik aber wohl zu übertünchen wissen.

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