© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Haltungsnote
Der Irrtum des Thomas Edison
Christian Schwiesselmann

Der deutsche Erfindergeist hat „Weltniveau“ (Walter Ulbricht). Konrad Adenauer erfand die Sojawurst, das Notzeitbrot, elektrische Insektentöter und ein beleuchtetes Stopfei. Mittlerweile gibt es selbstwärmende Fahrradsättel und womöglich auch einen Zigarettenhalteraufsatz für Bierflaschen. Auf die Idee eines Heizballs ist man selbst bei „Jugend forscht“ noch nicht gekommen. Dem Essener Ingenieur Siegfried Rotthäuser raubte dieses Desiderat offensichtlich den Schlaf. Seine revolutionäre Erfindung basiert nicht auf jahrelanger Entwicklungsarbeit in einem dunklen Labor, sondern auf einer schlichten semantischen Uminterpretation: Die von der EU verbotene Glühbirne sei in Wahrheit eine Heizung – also importiert er Glühbirnen mit 75 und 100 Watt aus China und verkauft sie in schneidiger Marketingsprache als „Heatballs“. Rotthäuser ist überzeugt: „Wir haben Thomas Edison falsch verstanden.“ Er habe kein Leuchtmittel erfunden, sondern eine Heizung gebaut. Und zwar mit hohem Wirkungsgrad: Zu 95 Prozent strahlt der „Heatball“ Wärme ab, nur fünf Prozent sind Licht. Das leuchtet jedem Kind ein, das schon einmal eine heiße Lampe berührt hat. Der promovierte Maschinenbauer protestiert damit gegen die Argumentation hinter der EU-Richtlinie, wonach das Verbot von Glühbirnen über 60 Watt dem Klimaschutz diene. Den wenigsten Leuten sei klar, daß sie 500 bis 1.000 Heizbälle anschalten, wenn sie den Autoschlüssel umdrehen, so Rotthäuser. Deshalb spendet er 30 Cent pro verkauftem Heizball an ein Regenwaldprojekt. Die Konkurrenten der Glühbirne scheint dieses ökologische Sühnezeichen nicht zu beeindrucken. Ein LED-Hersteller drohte bereits mit Klage. Demnächst dürften die Kleinheizgeräte Justitia beschäftigen. www.heatball.de

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