© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Das ist wie Löschen mit Benzin
Roland Baader unterzieht die wirtschaftsgefährdende Geldpolitik einer harschen Kritik
Harald Seubert

Die tieferen Ursachen der gegenwärtigen Wirtschaftskrise zu erkennen, ist die diagnostische Voraussetzung einer Therapie. Voraussetzung ist dabei, daß man die Fragen zu Ende denkt. So leicht es sein mag, mit allgemeinem Lamento über die Gier und das „kapitalistische System“ zu klagen, so wenig wird man damit der realen Lage gerecht. Es kommt darauf an, die systemische Letzt-Stelle der Krise zu identifizieren.

Einer der wichtigsten heutigen Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, Roland Baader, hat dazu einen brillant geschriebenen grundlegenden Beitrag vorgelegt. Die zentrale These ist, daß Geld, eines der wichtigsten Güter des Marktes und zugleich sein Medium, eben nicht den Marktkräften unterliegt, sondern durch das Staatsmonopol und die Zentralen Notenbanken staatssozialistisch verteilt wird. Die Folge: Es ist zuviel krankes Geld in Umlauf. Das „Fiat money“- System, dessen Urheber der Papiergeld zaubernde Mephisto in Faust II sein könnte, ist nach Baader die eigentliche Ursache der Krise.  

Die künstliche Gelderzeugung fördert und fordert eine ins Astronomische sich ausdehnende Schuldenpolitik, die, wie Baader überzeugend zeigt, auch moralische Korrumpierung nach sich ziehen wird.

Nur gesundes Geld hilft gegen neue Blasen

Dabei geht es um elementare Klärungen: Der Begriff der Inflation muß im Sinne der Österreichischen Schule auf die Vermehrung der Geldmenge bezogen werden. Diese Inflation ist dann ein betrügerischer Vorgang, mit eindeutigem Kurs auf den Staatsbankrott und dem Untergang von Völkern und Reichen. Sinkende Preise (Preisdeflation) sind nicht Ursache der Krise, sondern allenfalls deren Folge. Sie können zugleich ein erster Schritt zur Heilung und Restabilisierung sein. Die Gesundung des Geldes wird das einzige probate Mittel gegen die Erzeugung neuer Blasen sein.

Eines der glanzvollsten Kapitel des Buches ist die Interpretation der Großen Depression seit 1929, die sich dem Mainstream konsequent entgegensetzt. Der Keynessche Monetarismus und Interventionismus, verbunden mit Mindestlöhnen, Arbeitszeitverkürzungen und anderen „New Deal-Idiotien“ (so Baader) machten aus einer kurzen Depression überhaupt erst die Große Depression und Weltkrise. Es ist klar, daß Baader die „Rettungsaktionen“, die auf die Finanzkrise nach 2008 reagierten, als ein Desaster nach Keynesschen Rezepten versteht: ein „Löschen von Feuer mit Benzin“ und als Kapitalvernichtung ungeahnten Ausmaßes. Ein Ende dieser Politik ist nicht in Sicht, der Aufschwung bestenfalls fragil. Die immer neuen Milliardensummen aus Steuerzahlermitteln, die für die Kapitalerhöhung der Hypo Real Estate benötigt werden, zeigen die unheimliche Aktualität dieser Analyse. Aus der Optik von Baader betrachtet, deuten die Kriterien von Basel III zwar in die richtige Richtung. Sie sind aber allenfalls ein erster Schritt.

Dies Buch zeigt auch: Die Auseinandersetzung zwischen Keynesianern und Austrians ist nicht historisch. Unterscheiden sich doch die Austrians von anderen Schulen fundamental dadurch, daß sie starke Auf- und Abwärtsbewegungen am Markt nicht als gleichsam naturgegeben ansehen. Solche seismischen Ausschläge sind vielmehr Folgen von Falsch- und Fehlinvestitionen, die in den Markt eingreifen und sein Fließgleichgewicht außer Kraft setzen. Booms, die durch verbilligte Kreditvergaben entstehen, enden in Zusammenbrüchen. Baader zitiert zu Recht das schöne spanische Sprichwort: „Brot für heute – Hunger für morgen“. Ein knapper, aber brillanter Abschnitt widmet sich der Rolle des Zinses: Der Zins ist Parameter für das Verhältnis von Lebenszeit und Güterknappheit, und muß sich deshalb am Markt einpendeln. Den „Zinsklempnern“ der Niedrigzinspolitik widerspricht Baader daher ebenso wie den Keynesianischen „Geldspinnern“. Sie alle folgen einer „amour fou“ zum billigen Geld (easy money), die längst von uns allen Besitz ergriffen hat und „mit Leid und Elend endet“.

Mainstream-Ökonomen die Leviten gelesen

Baader hat eine klare und klärende Philippika geschrieben, die manchen hoch dekorierten Mainstream-Ökonomen die Leviten liest. Auch wenn Fragen bleiben: etwa hinsichtlich der Realisierbarkeit des „Free banking“-Systems, der Konkurrenz um solides Geld oder der Modalitäten einer Rückbindung an den Goldstandard, so ist doch die kristallklare und kenntnisreiche Explikation Baaders auch für den Nicht-Ökonomen ein großer intellektueller Gewinn, dem er Hegels hohen Respekt vor der Nationalökonomie nicht versagen kann. 

Dieses schmale Buch entwickelt Argumente und Lösungsstrategien, die man bei medial überrepräsentierten Mainstream-Ökonomen vermißt. Zusammen mit Gregor Hochreiters „Krankes Geld – kranke Welt“ (JF 12/10) zeigt es die Österreichische Schule auf der Höhe ihrer Aktualität und ihres Könnens. Ohne sie wird man die gegenwärtige Krise nicht verstehen und erst recht die Therapie verfehlen müssen. Nicht zuletzt ist Baaders Buch damit eine der eindrucksvollsten und gedankenreichsten Apologien des freien Marktes und damit ein Beitrag zur „Ordnung der Freiheit“.

 

Prof. Dr. Harald Seubert lehrt Philosophie an den Universitäten Posen und Erlangen-Nürnberg

Roland Baader: Geldsozialismus. Die wirklichen Ursachen der neuen globalen Depression. Resch-Verlag. Gräfelfi ng 2010, gebunden, 166Seiten, 13,90 Euro

Foto: Euro-Produktion in der Bundesdruckerei: Künstliche Gelderzeugung fördert und fordert eine ausdehnende Schuldenpolitik

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen