© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Krimis ohne Sozialkitsch
Deutscher Noir-Klassiker des 20. Jahrhunderts
Ansgar Lange

Am 11. Mai 2010 wäre der früh verstorbene Schriftsteller Ulf Miehe siebzig Jahre alt geworden. Kaum jemand hat von diesem Datum Notiz genommen. Dabei bietet die Neuauflage seines Kriminalromans „Puma“ eine gute Möglichkeit, den Autor wieder oder neu zu entdecken. Im Anhang des Buches gibt es reichlich Material zu Leben und Werk des Schriftstellers, der neben dem Thriller „Ich hab noch einen Toten in Berlin“ auch zahlreiche Drehbücher fürs Fernsehen geschrieben hat, unter anderem für den „Tatort“ und den „Fahnder“.

Ulf Miehe steht für nicht weniger als gute und anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur. Die Lektüre seiner Krimis ist allemal spannender als die sozialkritischen Machwerke bundesrepublikanischer Provenienz oder der x-te depressive Schwedenkrimi.

Der Protagonist des 1976 erstmals erschienenen Romans ist der elsässische Berufsverbrecher „Puma“, der nach einer mehrjährigen Haftstrafe einen großen Coup landen will. Mit Hilfe von ein paar anderen Gangstern will der alternde Haudegen die Tochter eines schwerreichen Waffenproduzenten mit besten Kontakten ins politische Establishment entführen.

Doch nach der Entführung fangen die Schwierigkeiten erst an, denn der feine Herr Papa entpuppt sich als ein noch unmoralischeres Subjekt als der durchaus sympathische Kidnapper und denkt gar nicht daran, freiwillig Lösegeld für seine mondäne Tochter zu zahlen. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, und die moralischen Grenzen zwischen dem professionellen Verbrecher und den vermeintlich unschuldigen Opfern verschwimmen. Liebe, Leidenschaft und Gewalt durchdringen sich.

Miehe starb mit 49 Jahren viel zu früh. Er hatte zuvor unermüdlich gegen die verrinnende Zeit angeschrieben. Mit dem „Puma“ ist ihm ein Kunststück gelungen, nämlich ein eigenständiger deutscher Kriminalroman, der den Vergleich mit französischen (Melville) oder amerikanischen (Chandler, Hammett etc.) Größen nicht zu scheuen braucht. Der Schriftsteller verstand sein Handwerk als Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmregisseur. Der „Puma“ ist ein deutscher Noir-Klassiker des 20. Jahrhunderts.

Ulf Miehe: Puma. Herausgegeben von Peter Henning. Mit Materialien zu Leben und Werk. DuMont Buchverlag, Köln 2010, gebunden, 480 Seiten, 11,95 Euro

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