© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/10 22. Oktober 2010

Das Guillotinen-Zeitalter im Visier
Ein richtungweisendes Werk des konservativen Theoretikers Erik von Kuehnelt-Leddihn ist neu aufgelegt worden
Georg Alois Oblinger

Wenn jemand sich selbst einen „katholischen rechtsradikalen Liberalen“ (Criticón, Nr. 24) nennt, dann kann das nur ein Mensch sein, der jegliche Anbiederung verabscheut und bereit ist, den schweren Weg zu gehen, den er aber für den richtigen hält. Von dem Wort „richtig“ leitete Erik von Kuehnelt-Leddihn (1909–1999) auch seine Selbstetikettierung als Rechter ab. In allen Sprachen ist rechts positiv, links aber negativ konnotiert. Dies gilt insbesondere auch für den Sprachgebrauch der Bibel.

Kuehnelt-Leddihn war ein scharfer Gegner aller Linken, zu denen er die Nationalsozialisten wie auch die Internationalsozialisten gleichermaßen zählte. Nur ein rechtes Staatssystem ermöglicht die wahre Freiheit, die Kuehnelt-Leddihn so wertvoll war. Diese Freiheit nahm sich der in Österreich geborene polyglotte Privatgelehrte vor allem in seiner Tätigkeit als Vortragsreisender in Europa und Amerika sowie als Publizist für zahlreiche deutsche und amerikanische Zeitschriften. Dazu kommen über dreißig Buchveröffentlichungen.

Ursache moderner Übel in den Ereignissen von 1789

Wer nicht bereit ist, sich irgendwelchen Denkverboten zu unterwerfen und es geradezu genießt, jedes Tabu anzukratzen, hat es dann aber oftmals schwer, einen Verlag zu finden. Lange Zeit war der österreichische Böhlau-Verlag sein Hausverlag, bis es dort zu einem Wechsel in der Leitung kam. „Die falsch gestellten Weichen“ (1985) erschienen noch bei Böhlau und waren ein großer Verkaufserfolg; für das Nachfolgewerk „Die rechtgestellten Weichen“ (1989) wechselte Kuehnelt-Leddihn zum kleinen, unkonventionellen und oft sehr mutigen Karolinger-Verlag. Auch dieses Buch ist längst zu einer heißbegehrten Rarität der Antiquariate geworden. Jetzt hat es der Aachener MM-Verlag neu aufgelegt unter dem Titel „Konservative Weltsicht als Chance“ mit einem Vorwort von Roland Baader. Ein pointiert katholischer Verlag und ein libertärer Publizist: Das zeigt, wo Erik von Kuehnelt-Leddihn geistig beheimatet ist. Dazu paßt, daß jedes Kapitel dieses Buches mit einem Zitat von Nicolás Gómez Dávila eingeleitet wird.

Mit einem enormen historischen Wissen und großer Belesenheit, von der die 388 Anmerkungen und ein umfangreiches Personenregister Zeugnis ablegen, entlarvt der Nonkonformist und Querdenker zahlreiche „falsche, aber klare Gedanken“ (Alexis de Tocqueville). Auch wenn die Masse sich in der Regel nach einfachen Erklärungsmodellen sehnt, ist die Wahrheit meist kompliziert und erfordert, sich auf einen anspruchsvollen Denkprozeß einzulassen. So räumt er auf mit falschen Vorstellungen wie der, äußerste Rechte und äußerste Linke würden sich irgendwo berühren, die Armen seien arm, weil die Reichen reich sind, Klerus und Adel hätten das Volk unterdrückt, Freiheit und Gleichheit seien keine Gegensätze, die Französische Revolution hätte die Menschen von dieser Unterdrückung befreit und in der Demokratie herrsche jetzt das Volk selbst.

Die Ursache aller modernen Übel sieht Kuehnelt-Leddihn in den politischen Ereignissen von 1789. Mit zahlreichen Details weist er nach, daß die französische Revolution nichts weiter als eine Gewalt- und Sexorgie war, bei welcher der Marquis de Sade eine unrühmliche Rolle spielte. Gott wurde entthront und durch die „Göttin der Vernunft“ in Form einer nackten Prostituierten ersetzt. An die Stelle unseres himmlischen Vaters trat „notre mère, la guillotine“. Da die Revolution von 1789 ein Frontalangriff auf die Kirche war und die Demokratie ganz von diesen Idealen geprägt ist, kann es auch eine christliche Demokratie nicht geben.

Alle linken Denker und Staatssysteme haben sich seither auf die Französische Revolution berufen. Da war Karl Marx, ein Antisemit, Ehebrecher, Kettenraucher und angehender Alkoholiker mit einer snobistischen und menschenverachtenden Gesinnung, der die Arbeiter als „Menschengesindel“ bezeichnete. Auch Joseph Goebbels und Adolf Hitler wollten einen „Umbruch“ als deutsches Gegenbild zur Französischen Revolution. Der gänzlich unverdächtige Max Horkheimer schrieb im Sommer 1939, daß die Ideale von 1789 notgedrungen zum Nationalsozialismus führen mußten. So leben wir seit 1789 im „Zeitalter des G – der Guillotinen, Galgen, Gefängnisse, Gestapoverhöre, Geisteskrankenhäuser, Gaskammern, Genickschüsse und Gulags“.

Diese linken Ideen wären aber nur halb so gefährlich, wenn die Rechte diesen etwas entgegensetzen würde. Doch die Rechte befindet sich in einer Krise, die daher rührt, daß sie meint, ohne Ideologie auskommen zu können und nach Spießer-Manier bequem „in der Mitte“ stehen möchte. Ohne Ideologien geht es nicht, davon ist Kuehnelt-Leddihn überzeugt und greift damit die Auffassung von Gerd-Klaus Kaltenbrunner auf, der schon 1976 in „Der schwierige Konservatismus“ feststellte, daß der Konservative einer fundierten Theorie bedarf. So fordert Kuehnelt-Leddihn für die Rechte ein klares Bekenntnis zu den Idealen der Monarchie und des christlichen Gottesbildes verbunden mit dem Personalismus. Nur diese garantieren letzten Endes die menschliche Freiheit.

Das mit Verve geschriebene Buch enthält eine Fülle historischer Details und fordert den Leser heraus, seine gewohnten Denkstrukturen zu hinterfragen.

Michael Müller (Hrsg.): Erik von Kuehnelt-Leddihn. Konservative Weltsicht als Chance, Entlarvung von Mythen und Klischees, MM-Verlag, Aachen 2010, gebunden, 329 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Erik von Kuehnelt-Leddihn: Ohne eine fundierte Theorie kann man im Meinungskampf nicht bestehen

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