© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Schwarz und Rot war unsere Tracht und Farbe
Eine seltene Miniatur von einem Mitbegründer der Urburschenschaft deutet auf Überraschendes zu den Ursprüngen unserer Nationalfarben
Detlef Kühn

Das demonstrative Bekenntnis zu den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold ist mittlerweile durch die letzten „Fußballsommer“ wesentlich entkrampfter. Immerhin war diese mehrfach Anlaß, sich mit der etwa 200 Jahre alten Geschichte unserer jetzigen Nationalfarben zu beschäftigen. In der JUNGEN FREIHEIT hat dies, unterstützt durch aussagekräftige Bilder, Karlheinz Weißmann vor geraumer Zeit getan (JF 24/10). Bei den Einzelheiten ist jedoch einiges klärungsbedürftig.

Unstrittig ist, daß die Anfänge von Schwarz-Rot-Gold in der sogenannten Urburschenschaft zu suchen sind, die am 12. Juni 1815 in Jena gegründet wurde und der „Frauen und Jungfrauen“ der Stadt neun Monate später eine Fahne schenkten, die aus drei Tuchstreifen in Rot-Schwarz-Rot mit einem gestickten goldenen Eichenzweig bestand. Da einige Gründer der Urburschenschaft in den Freiheitskriegen im Freikorps Lützow gedient hatten, nimmt man allgemein an, sie hätten ihre Uniformfarben zu den Farben der Burschenschaft bestimmt. Dies ist aber zweifelhaft; denn auch Weißmann weist zu Recht darauf hin, daß die Lützower erstens über keine einheitliche Uniform verfügten und zweitens weiter häufig ihre Zivilkleidung trugen, die im Interesse der Einheitlichkeit nur schwarz gefärbt wurde. Die Bilder, die Lützower Kämpfer zeigen, sind jedenfalls stark dunkel gehalten und weisen kaum rote und noch weniger goldene Details auf.

Deshalb wird von Autoren der studentengeschichtlichen Literatur auch darauf hingewiesen, mehrere Gründer der Urburschenschaft hätten vorher der Jenenser Landsmannschaft Vandalia angehört und daher deren Farben übernommen. Andere verweisen auf die Landsmannschaft Thuringia und besonders das Leipziger Corps Thuringia, die dieselben Farben geführt hätten. Sicher scheint nur zu sein, daß anfangs die Farben Schwarz und Rot dominierten, während Gold erst nach dem Wartburgfest 1817 in das Band aufgenommen wurde.

Aus der Urburschenschaft von 1815 gingen weitere Verbindungen außerhalb Jenas hervor. Sie sollten im Oktober 1818 in der Allgemeinen Burschenschaft zusammengeschlossen werden, wobei die Jenaer empfahlen, „unsere Tracht und Farbe“ allgemein einzuführen. Es ging also nicht nur um die Farben Schwarz-Rot-Gold, sondern auch um eine „Tracht“ (auch Feierkleid genannt) der Urburschenschaft. Wie diese Tracht aussah, ist ebenfalls nicht geklärt. In Betracht ziehen muß man dabei die Miniatur eines unbekannten Malers, die sich im Besitz der Familie des Autors erhalten hat. Sie stellt seinen Ururgroßvater Ludwig Kühn (1793–1863) dar, der zu den Mitbegründern der Urburschenschaft am 12. Juni 1815 gehörte und sich an diesem Tage unter der Nr. 52 in das Stamm-Buch der Jenaischen Burschenschaft eintrug. Ludwig Kühn war der Sohn eines Schneidermeisters in Jena, studierte dort seit 1810 Theologie und gehörte 1814 der Jenaer Wehrschaft an, einer Art Miliz, in der sich viele Studenten, die vorher in den Freiheitskriegen gekämpft hatten, militärisch ertüchtigten.

Da keine kompletten Listen der Angehörigen des Freikorps Lützow existieren, muß offenbleiben, ob Ludwig Kühn ihm angehörte. Nach dem übereinstimmenden Urteil von Uniform-Sachverständigen stellt die Miniatur jedenfalls keine Uniform einer militärischen Einheit der napoleonischen Kriege dar. Es muß sich also um eine Studenten-Uniform handeln. Die Miniatur ist spätestens Anfang 1817 entstanden, weil Ludwig Kühn in diesem Jahr ins Baltikum auswanderte, wo er später als Oberlehrer der Geschichte am Gouvernement-Gymnasium in Riga tätig war. Aus der (beschädigten) Inschrift auf der Rückseite der Miniatur ergibt sich ein Zusammenhang mit der (Landsmannschaft?) Thuringia und dem Datum 9. Dezember 1833.

Die Jenaer Corps Vandalia und Thuringia mußten Anfang 1833 infolge eines Streits mit den Universitätsbehörden suspendieren, Thuringia rekonstituierte sich am 1. Dezember desselben Jahres. Handelt es sich bei der abgebildeten Uniform um eine der Thuringia oder gar die „Tracht“ der Urburschenschaft? Die Dominanz von Schwarz und Rot mit etwas Gold auf dem Bild ist jedenfalls nicht zu übersehen.

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