© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Castrum Peregrini: Ausverkauf des Erbes von Stefan George
Das Wesentliche bleibt erhalten
(jr)

Sechzig Minuten genügten, um im Hamburger Auktionshaus von Hauswedell & Nolte die Zimelien der Stefan-George-Bibliothek des Amsterdamer Castrum Peregrini in alle Winde zu verstreuen. Der George-Biograph Thomas Karlauf (Sinn und Form, 2/2010) kommentiert diesen Basar in seinem Auktionsbericht unsentimental: Es sei die richtige Entscheidung gewesen, die ohnehin nur für Bibliophile bedeutsamen „heiligen Bücher“ zu verkaufen. Der wissenschaftlich wichtige, für den Ideenhistoriker bedeutsame Teil der Bibliothek, 10.000 Bände im Hinterhaus des Amsterdamer Rotlicht-Viertels, sei schließlich noch vorhanden. Wolfgang Frommel (1902–1986), seit 1923 im „Magnetfeld des Meisters“, habe an der Herengracht eine Sammlung geschaffen, in der sich „die Geschichte des ‘geheimen Deutschland’ auf beeindruckende Weise widerspiegelt“. Da für Frommel die geistige Überlieferung Europas in Leben und Werk Georges kulminierte, griff er entsprechend weit in die „Kontexte“ aus, zu denen, eigener Neigung folgend, für ihn vor allem auch die neuzeitliche Geschichte der Homosexuellenbewegung, der Okkultismus und die Esoterik seit dem späten Mittelalter zählten. Neben der bis in die 1980er Jahre vollständigen Sammlung von Sekundärliteratur zu George stehen daher in dichter Reihe die Produkte „unserer Literatur“, der lesbischen und schwulen Belletristik. www.sinn-und-form.de

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