© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Es fehlt noch immer zündende Idee
Einheits- und Freiheitsdenkmal: Auch der zweite Gestaltungswettbewerb führt zu keinem Ergebnis
Ekkehard Schultz

Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung tut sich die Bundesrepublik immer noch äußerst schwer damit, sich ein nationales Freiheits- und Einheitsdenkmal zu schaffen, das in der Mitte Berlins den Stolz und die Freude über die Ereignisse von 1989/1990 in angemessener Weise symbolisiert.

Dabei ist die Debatte keineswegs neu. Bereits im Jahre 2000 forderten mitteldeutsche Bundestagsabgeordnete aus verschiedenen Fraktionen die Errichtung eines solchen Denkmals. Nachdem die Deutsche Gesellschaft e.V. (siehe Information auf dieser Seite) die Idee aufgegriffen und intensiv dafür geworben hatte, stimmte schließlich der Bundestag mit Ausnahme der Linken am 9. November 2007 diesem Vorschlag zu.

Der Wettbewerb um eine geeignete Gestaltung des Denkmals offenbarte jedoch schnell große Probleme. Bereits die erste Runde, an der sich fast 400 Künstler beteiligten, endete in einem Fiasko. Nach Auffassung der Jury, der neben Architekten und Historikern unter anderem der Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Thierse (SPD), angehört, zeugten die meisten Entwürfe nicht nur von einem unzureichenden Einfühlungsvermögen in die Thematik, sondern auch von grenzenloser Naivität. Dies verdeutlichten etwa Darstellungen mit tanzenden Party-Schlümpfen oder riesigen Bananen. Deshalb wurde der Wettbewerb im Mai 2009 vorzeitig abgebrochen.

Nach einer Überarbeitung der Konzeption wurden im Februar dieses Jahres insgesamt 28 renommierte Künstler aus Deutschland sowie dem europäischen Ausland gebeten, neue Entwürfe einzureichen. Doch das Ergebnis fällt erneut äußerst ernüchternd aus. So zeigte sich bei der Vorstellung und Prämierung der besten Vorschläge, die am 3. Oktober bei einer Veranstaltung im Berliner Martin-Gropius-Bau von Kulturstaatssekretär Bernd Neumann (CDU) vorgenommen wurde, rasch, daß es auch diesmal an herausragenden Ideen mangelt.

Für diese Tatsache spricht allein schon, daß sich die Jury nicht entschließen konnte, einen Entwurf besonders hervorzuheben. Statt dessen präsentierte Neumann insgesamt drei Preisträger, zwei weitere Vorschläge erhielten eine Anerkennung. Zu den prämierten Arbeiten zählt zum einen eine riesige begehbare Schale, die von den Stuttgarter Architekten Sebastian Letz, Johannes Milla und Adrian von Starck entworfen wurde. Diese kann von den Bürgern selbst in Schwingung gebracht werden und soll auf diese Weise den Willen zur eigenen Mündigkeit und Selbstbestimmung zum Ausdruck bringen. Ausdrücklich lobte die Jury an diesem Entwurf, daß er der Intention der Auslober „weitestgehend und in eindrücklicher Weise“ entspreche. Zudem bilde ein solches Denkmal im Stadtraum keinen Fremdkörper, sondern füge sich „in seiner äußeren Gestaltung und mit der goldfarbenen Oberfläche eher ein“.

Ebenso prämiert wurde der Münchner Architekt Andreas Meck für ein von Pfeilern getragenes semantisches Rätsel, das nach Freiheit und Einheit fragt. Dabei überzeugte die Jury insbesondere die „hohe Symbolkraft“, welche „das Wort und die gemeinsame Sprache als Element der wiedergewonnenen Einheit und Freiheit ausdrucksstark ins Zentrum“ rücke.

Deutlich kontroverser wurde über eine fünf Meter große Figur des Karlsruher Künstlers Stephan Balkenhol diskutiert. Diese soll mit ihrem Kniefall „die Ehrfurcht vor den Opfern der deutschen Geschichte zum Ausdruck“ bringen. Kritisiert wurde daran vor allem, daß die Verbindung zum Einheits- und Freiheitsbegriff „nicht eindeutig“ sei. Der Kniende ließe „einen weiten Bereich von Konnotationen zu, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem vorgegebenen Thema des Wettbewerbs stehen“ würden. Dennoch erhielt auch der Schöpfer dieses Entwurfes das Preisgeld von 16.000 Euro.

Jetzt sollen die drei preisgekrönten Beiträge einer gründlichen „Überarbeitung zugeführt“ werden. Erst danach könne über die Realisierung einer dieser Arbeiten entschieden werden. 

Indes machte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bereits deutlich, daß sich seine „Begeisterung“ für die drei prämierten Entwürfe „in engen Grenzen“ halte. Entweder wäre „die Herausforderung zu groß“ oder die Umsetzung selbst schlichtweg „nicht ausreichend“ gewesen, so Wowereit.

 

Deutsche Gesellschaft e.V.

Für die Errichtung eines Einheits- und Freiheitsdenkmal, das an die friedliche Revolution in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung erinnern soll, engagiert sich besonders die in Berlin ansässige Deutsche Gesellschaft. Vorsitzender des 1990 gegründeten eingetragenen Vereins ist der frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière, Geschäftsführer der ehemalige Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs und Berliner CDU-Abgeordnete Andreas H. Apelt. 2008 wurde die Deutsche Gesellschaft für ihr Engagement mit dem Nationalpreis der Nationalstiftung ausgezeichnet.

Deutsche Gesellschaft e.V., Mosse Palais, Voßstraße 22, 10117 Berlin, Tel. 030 / 88 41 21 41, Fax: 030 / 88 41 22 23 www.deutsche-gesellschaft-ev.de ; www.freiheits-und-einheitsdenkmal.de

Foto: Entwürfe für das Einheitsdenkmal von Milla und Partner (Vordergrund) und der Kniende von Stephan Balkenhol: Gründliche Überarbeitung

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen