© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Weckruf an die Basis
Marcus Schmidt

Eigentlich könnte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in diesen Tagen entspannt zurücklehnen. Entgegen vieler Unkenrufe scheint sich die arg lädierte schwarz-gelbe Koalition doch noch einmal gefangen zu haben. Nach der Sommerpause ist es der Union und der FDP relativ geräuschlos gelungen, wichtige Vorhaben wie die Bundeswehrreform, die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und die Gesundheitsreform zumindest auf den Weg zu bringen.

Zudem befindet sich derzeit das halbe Kabinett und zahlreiche Abgeordnete auf Reisen, das Regierungsviertel scheint  in diesen Tagen, abgesehen von den zahlreichen Touristen, sonderbar verwaist.Merkel könnte sich also eigentlich eine kleine Auszeit gönnen, wären, ja wären da nicht die Regionalkonferenzen der CDU. Diese sonderbaren Zusammenkünfte bereiten der Parteichefin derzeit Kopfzerbrechen. Eigentlich waren die Veranstaltungen kurz vor dem Bundesparteitag im November dazu gedacht, die skeptischere Basis auf den Kurs der Kanzlerin einzuschwören. Doch nun drohen die Regionalkonferenzen zu einem PR-Gau zu werden.

Denn zum Auftakt der Veranstaltungsreihe in der vergangenen Woche in Wiesbaden rückte eine Parteigruppierung in den Fokus der Medien, deren Auftreten der CDU-Führung mehr als ungelegen kommt. Die Anfang des Jahres gegründete Aktion Linkstrend stoppen, die ein schärferes konservatives Profil der Union anmahnt, verteilte eifrig Flugblätter. Die Aktivisten waren zudem ein wilkommener Interviewpartner der anwesenden Journalisten.

Zum sichtbaren Verdruß von Merkel ergriff bei der Zusammenkunft von rund 1.800 Parteimitgliedern aus den Landesverbänden Hessen, Rheinland-Pfalz und Saar der Sprecher der Initiative, Michael Nickel, das Wort und forderte von der Parteichefin eine Kurskorrektur. Die Reaktionen der versammelten Basis hätten der Parteiführung deutlich gemacht, daß er mit seiner Kritik nicht allein stehe, sagte Nickel der JUNGEN FREIHEIT.

Auch bei den kommenden Regionalkonferenzen will die Aktion Links-trend stoppen präsent sein und für ihr Anliegen unter den CDU-Mitgliedern werben. „Wir wollen der Parteiführung zeigen, daß wir es ernst meinen“, sagt Nickel. Ziel seiner Initiative sei es unter anderem, durch eine Kurskorrektur der Union das Entstehen einer neuen Rechtspartei zu verhindern. Als erster Schritt auf diesem Weg soll zunächst die Zahl der Unterstützer von derzeit 6.500 auf 10.000 gesteigert werden. Für den Winter kündigte Nickel dann den Einstieg in die inhaltliche Arbeit an. Man wolle für den derzeit nicht mehr existierenden konservativen Flügel der Partei neue Inhalte erarbeiten.

Zuvor stehen aber noch der Bundesparteitag in Karlsruhe und der CSU-Parteitag Ende Oktober auf dem Programm. Nickel ist vom Erfolg seiner Mission überzeugt: „Mit neuem Schwung und langem Atem werden wir die Basis wecken und zum Sprachrohr der schweigenden Mehrheit werden.“ www.linkstrend-stoppen.de

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