© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/10 15. Oktober 2010

Der Tod einer Abiturientin
Dresden: Mordprozeß gegen einen mutmaßlichen Pakistani
Paul Leonhard

Mord aus Heimtücke. So lautet die Anklage. Ein angeblich 33 Jahre alter Pakistani wird beschuldigt, im Dezember vergangenen Jahres in Dresden eine 18jährige Abiturientin ermordet zu haben. Ist der Angeklagte aber tatsächlich 33 Jahre alt und pakistanischer Staatsbürger? Heißt er wirklich Syed Asif R.? Die Behörden wissen es nicht. Der Angeklagte ist seit 2007 als einer jener Ausländer bekannt, deren Asylanträge als offenbar unbegründet abgelehnt wurden, die straffällig wurden und die doch nicht abgeschoben werden können, weil sie keinen Paß besitzen.

Bereits im Oktober 2009 hatte die Ausländerbehörde die Ausweisung des Mannes wegen dessen Gewalttätigkeit verfügt. Dennoch wurde nur eine Woche vor dem Mord die Duldung des Pakistanis verlängert. Dabei war bekannt, daß er offenbar eine tickende Zeitbombe ist. Immer wieder hatte „Jimmy“ – wie er sich selbst nannte – Kontakte zu jungen Frauen gesucht. Gewalttätig wurde er, wenn diese die Beziehung zu ihm abbrachen. Anfang August 2009 hatte er einer früheren Freundin mit der Faust ins Gesicht geschlagen und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

Ziel des Asylbewerbers war es offenbar, der drohenden Abschiebung durch eine Heirat zuvorzukommen. Doch Susanna H., obwohl offenbar über beide Ohren in den älteren Mann verliebt, wollte nicht heiraten, sondern nach dem Abitur ein Jahr nach Australien gehen. Wieder einmal sah der Angeklagte seine Träume platzen. Die Leiche der jungen Frau wurde am 16. Dezember blutüberströmt in einer Wohnung in der Dresdner Johannstadt gefunden. Sie war von ihrem Mörder hinterrücks mit einem Nudelholz niedergeschlagen und anschließend erdrosselt worden. R. befand sich zu diesem Zeitpunkt auf der Flucht und konnte erst zwei Wochen später im nordfranzösischen Calais festgenommen werden. Die Nachricht über den Mord sorgte deutschlandweit für Aufsehen. Selbst Spiegel-Online war sie eine Meldung wert: „In einer Wohnung in Dresden wurde eine Schülerin tot aufgefunden. Die Polizei geht von einem Gewaltverbrechen aus – und fahndet nach einem jungen Mann aus dem Umfeld der Gymnasiastin.“

Erst allmählich sickerte die Wahrheit durch. Susanna H. war nicht in irgendeiner Wohnung gefunden worden, sondern im achten Stock eines Asylbewerberheims. Es dauerte weitere Tage, bis die Polizei mitteilte, daß der mutmaßliche Mörder ein Asylbewerber ist und ein Fahndungsfoto veröffentlicht wurde. Offiziell wurde das mit ermittlungstechnischen Gründen begründet. Die zögerliche Information der Öffentlichkeit dürfte im Zusammenhang mit dem Mord an der 31jährigen Ägypterin Marwa El-Sherbini stehen. Diese war 2009 in einem Saal des Dresdner Landgerichts von einem Rußlanddeutschen erstochen worden. Der Mord hatte weltweit für Aufsehen gesorgt und wurde als Beispiel für Ausländerfeindlichkeit und die Diskriminierung von Muslimen in Deutschland gewertet. Die Bundesregierung schaltete sich ein, und an einer Gedenkveranstaltung für die Ermordete nahm neben dem ägyptischen Botschafter der SPD-Chef Franz Müntefering teil.

„Ich verstehe nicht, wieso man so einen hier behält“

Der Tod der Abiturientin, die ihre Mitschüler als beliebt, fleißig und freundlich beschreiben, wurde dagegen von der Politik kaum zur Kenntnis genommen. Das Mädchen mit den dunkelblonden Haaren stammte aus einer im Vorort Cossebaude lebenden Architektenfamilie. Das Opfer und der Pakistani waren offenbar länger als ein Jahr ein Paar. Da R. in dieser Zeit auch andere Frauen ansprach und mit auf sein Zimmer nahm, soll Susanna H. ihm mit einem Ende der Beziehung gedroht haben. R., der von Nachbarn als jähzornig und aggressiv beschrieben wird, könnte daraufhin ausgeflippt und seine Freundin ermordet haben, wird vermutet. Schon wird in Dresden gefragt, ob für sie in Dresden auch ein Gedenkstein aufgestellt werden soll. Einen solchen gibt es mittlerweile für die ermordete Ägypterin. Auf der Tafel am Gericht steht: „Sie wurde Opfer von Islamfeindlichkeit und Fremdenhaß. Sie ist dem mit Würde und vorbildlicher Zivilcourage entgegengetreten.“

Susanna H. gedachten bisher nur ihre Familie und Mitschüler. Ihr Vater äußerte im Landgericht sein Unverständnis über die  deutsche Asylpolitik: „Ich verstehe nicht, wieso man so einen hierbehält.“ Die Staatsanwalt hat in der vergangenen Woche eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Das Urteil soll am 21. Oktober gesprochen werden.

Foto: Angeklagter R. vor Gericht: Mit dem Nudelholz zugeschlagen

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