© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Frisch gepresst

Kriegsende. Der WDR hat 2005 eine Fernsehreihe anläßlich des 60. Jahrestages des 8. Mai 1945 produziert, in der Prominente der „Flakhelfer-Generation“ ihr ganz persönliches Kriegsende in Interviews schildern. Fünf Jahre später finden sich nun diese Erinnerungen an die Stunde Null zwischen zwei Buchdeckel wieder, herausgegeben vom altlinken Kabarettisten Dieter Hildebrandt und dem WDR-Journalisten Felix Kuballa. Skurril wirkt das spätestens an der Stelle, wenn Hildebrandt seine Beiträger als „wir altgewordenen Kriegskinder“ vorstellt und dabei unterschlägt, daß viele wie Joachim Fest, Carola Stern oder Max von der Grün seit Jahren unter der Erde liegen. Auch wenn viele Darstellungen der Ausgebombten (Uta Ranke-Heinemann), NS-Verfolgten (Ralph Giordano), HJ-Jungen des letzten Aufgebots (Peter Rühmkorf) oder gar Augenzeugen des Dresdner Infernos – inklusive erlebter Tieffliegerangriffe – wie die Schauspielerin Giselle Vesco, recht aufschlußreich sind, leidet die Authenzität nicht selten darunter, daß die wiedergegebene Nachkriegsperspektive inklusive moralischer Wertungen allzu offenkundig wird. Wenn die in Danzig 1945 brutal von einer Schar Rotarmisten vergewaltigte spätere Drehbuchautorin Eva Ebner (nun auch schon vier Jahre tot) gar ihren Peinigern großmütiges Verständnis zollt, weil schließlich in deren Heimat „die Deutschen sich auch nicht wie Engel benommen haben“, mutet die Rückschau geradezu bizarr und kitschig an.

Dieter Hildebrandt, Felix Kuballa (Hrsg.): Mein Kriegsende. Erinnerungen an die Stunde Null. Propyläen Verlag, Berlin 2010, gebunden, 223 Seiten, 19,95 Euro

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