© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Haltungsnote
Ein Wendeopfer aus der CDU
Tilmann Wiesner

Silvia Liebaug ist außerhalb Thüringens unbekannt. Vermutlich  sogar innerhalb des Bratwurstlandes. Dabei ist die CDU-Politikerin seit 2007 Bürgerbeauftragte. Bei ihrer Wahl durch den Landtag holte die ehemalige Landrätin des 1994 aufgelösten Landkreises Suhl-Land die eigene Vergangenheit ein. Die Juristin aus der Ost-CDU hatte sich im Wendeherbst auf der falschen Seite der Geschichte positioniert: noch im Oktober 1989 kriminalisierte Liebaug als systemtreue Kreistagsabgeordnete die friedlichen Demonstranten: „Es ist besonders bedauerlich, wenn sich in einigen Großstädten der DDR größere Gruppen junger Menschen zu staatsfeindlichen Aktionen zusammenschließen und gewalttätig werden“. Da es aber die NPD war, die „Skandal“ rief, schwiegen alle Landtagsfraktionen. Nur der einstige Alterspräsident Siegfried Geißler protestierte. Liebaugs Karriere im Beauftragtenwesen tat dies keinen Abbruch. Die CDU verordnete ihr 1994 bis 2006 Diät in der Landtagskantine – als Datenschutzbeauftragte. Zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit würdigte Liebaug nun „die Menschen, die vor 20 Jahren die Veränderungen bewältigt und gemeistert haben“. Für die Opfer des Stalinimus war die Festrede Liebaugs in Zella-Mehlis am 3. Oktober eine Zumutung. Die thüringische Verbandsvorsitzende Elisabeth Freyer beschwerte sich beim Gemeindebürgermeister Karl-Uwe Panse: „Die Veranstaltung mit dieser Frau ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden Bürgers, der damals auf der Straße seine Haut zu Markte trug.“ Immerhin trug ihr Insistieren Früchte. Bürgermeister Panse entschärfte die Empörungsbombe, indem er auch selbst sprach und anschließend den Gedenkstein enthüllte. Die Bürgerbeauftragte stand abseits.

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