© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

„Das Volk hatte kein Verständnis für die brutale Judenpolitik“
Dokumentation: Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte / Auszüge aus Konrad Löws Aufsatz im „Deutschland Archiv“

Je intensiver man die zeitgeschichtlichen Aufzeichnungen heranzieht, um so deutlicher zeigt sich, warum Hitler die Vernichtung der Juden mit allen Mitteln geheimhalten wollte. Das Volk, das ihn mehrheitlich über Jahre hinweg fast abgöttisch verehrte, hatte kein Verständnis für seine brutale Judenpolitik. (...)

Allgemeine deutsche Schuld ein ungeheuerlicher Vorwurf

 Die raschen innen- und außenpolitischen Erfolge Hitlers als Kanzler dürften, so wird allgemein angenommen, ursächlich dafür gewesen sein, daß eine große Mehrheit der Deutschen von der neuen Regierung sehr angetan gewesen ist. Gilt dies auch für die Judenverfolgung, die Reichspogromnacht und die Tage danach, die Stigmatisierung durch den Judenstern, die Judenvernichtung?

Die Übergriffe der ersten Jahre wurden offenbar nicht von oben angeordnet, wenngleich auch nicht energisch unterbunden. Eingang in die Medien fanden sie nicht. Der Boykott jüdischer Einrichtungen am 1. April 1933 wurde als Gegenboykott deklariert und gerechtfertigt. Was die Reaktion der Bevölkerung auf die Ausschreitungen insbesondere der SA in und nach der Reichspogromnacht anlangt, so heißt es in einer eingehenden Untersuchung zusammenfassend: „Fast alle diplomatischen Berichte stellten die Passivität der Bevölkerung heraus, das stumme Entsetzen, Zornesausbrüche einiger weniger, die Scham der meisten. Die Diplomaten beobachteten Leute, die die Entehrung der Juden unmittelbar als Verletzung der eigenen Ehre, als Entehrung des deutschen Namens empfanden.“ (...)

Sicherlich haben viele dieser Deutschen in den dreißiger Jahren Hitler zugejubelt. Aber dieser Jubel galt dem Manne, der die Schmach des „Versailler Diktatfriedens“ - so das Urteil aller deutschen Parteien, die KPD nicht ausgenommen - getilgt hatte. Dieser Jubel begründet doch keinen Vorwurf mit Blick auf den Holocaust, der damals noch nicht einmal geplant war. (...)

Daher die Schlußfolgerung: Wir dürfen nicht zögern, die Verbrechen des NS-Regimes als wichtigen Teil der deutschen Geschichte, der deutschen Identität zu bekennen. Aber wir sollten jenen entgegentreten, die allgemein von deutscher Schuld sprechen, wenn damit gemeint ist, daß die große Mehrheit der damals lebenden Deutschen mitschuldig gewesen sei an einem der größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte. Ein solcher Vorwurf ist ungeheuerlich, wenn er nicht bewiesen wird. Dieser Nachweis wurde bis heute nicht erbracht.

Konrad Löws Aufsatz hat die JF in ihrer Ausgabe 17/2004 ungekürzt dokumentiert. Anzufordern über Tel. 030 / 86 49 53 25 oder abrufbar im Online-Archiv unter www.jungefreiheit.de

 

Auszüge aus dem BVerfG-Urteil

Die angegriffenen Entscheidungen berühren den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. (...)

Vorliegend steht jedoch nicht eine durch Rechtsstaatlichkeit, Ausgewogenheit und Distanz getragene bloße Übergehung der Position des Beschwerdeführers in Frage, sondern die explizite Distanzierung von dieser durch ein engagiertes Schreiben an die Abonnenten. (...)

Weder hinsichtlich der Ankündigung der Makulierung noch hinsichtlich der Entschuldigung für eine etwaige Verunglimpfung ist erkennbar, daß diese von dem legitimen Zweck gedeckt sein können. (...)“

Das vollständige Urteil abrufen unter:  www.bundesverfassungsgericht.de

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