© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Eine Leerstelle füllen
Konservatismus: Das unabhängige Institut für Staatspolitik befaßte sich auf einem Kongreß mit Alternativen nach 1945
Lion Edler

Gleich zwei Jubiläen hatte das Institut für Staatspolitik (IfS) am vergangenen Wochenende zu feiern: einerseits den 20. Jahrestag der deutschen Einheit, andererseits vor allem den 10. Geburtstag des Instituts selbst (JF 40/10). So fanden sich in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) etwa 120 Interessierte zu einem „Staatspolitischen Kongreß“ des IfS ein, der sich unter dem Leitthema „Alternativen nach 1945“ mit konservativen Gruppierungen der Nachkriegszeit befaßte.

Zehn Jahre Institut für Staatspolitik, das sei auch „ein zehnjähriges Ringen gegen die Deutungshoheit eines weitgehend linken Zeitgeists“, sagte der in Chemnitz lehrende Historiker Frank-Lothar Kroll in einem Einleitungsvortrag. Ohnehin sei der Konservatismus, anders als auch von dessen Gegnern häufig angenommen, in der Geschichte der Bundesrepublik „zu keiner Zeit meinungsführend gewesen“. Eine konservative Parteigründung sei in der Nachkriegszeit praktisch nicht möglich gewesen, was Kroll unter anderem darauf zurückführte, daß konservative Führungseliten durch den Nationalsozialismus nachhaltig diskreditiert schienen.

Als Grund für Optimismus in Bezug auf die Zukunft des Konservatismus führte Kroll eine in den letzten Jahren verstärkte gesellschaftliche „Sehnsucht nach Bindungen“ an. Zwar müsse man kein Konservativer sein, um solche Sehnsüchte zu haben, doch könnten diese vielleicht für manchen ein Anlaß sein, zu einem Konservativen zu werden.

Karlheinz Weißmann, ebenfalls Historiker, erörterte die Frage, ob und inwiefern es überhaupt nach 1945 konservative Alternativen zur damaligen Entwicklung gegeben hatte. Skeptisch verwies er unter anderem darauf, daß Presselizenzen nach 1945 nur an „genehme Kräfte“ verteilt worden seien, wozu nicht die Konservativen gehört hätten. Es habe zu dieser Zeit nicht nur linke und liberale, sondern auch „konservative Utopien“ gegeben, bei denen man nur staunen könne, welche Illusionen man sich über die damalige Lage gemacht habe. Allerdings habe beispielsweise die katholische Kirche sich wachsender Mitgliederzahlen erfreut, da ihr eine stärkere Distanz zu den nationalsozialistischen Machthabern nachgesagt worden sei. Zudem habe es hier relativ hohe Anknüpfungsmöglichkeiten an die CDU gegeben.

Auf Weißmann folgte der Hauptteil der Veranstaltung, bei dem vier Vortragende jeweils eine spezielle Strömung des Nachkriegskonservatismus vorstellten. Den Anfang machte der Philosoph und Universitätsprofessor Harald Seubert, der sich mit den christlichen Konservativen auseinandersetzte. Seubert erinnerte daran, daß bei der katholischen Kirche die „Distanz zur Demokratie“ in den 1940er und 1950er Jahren noch „viel stärker akzentuiert“ gewesen sei als heute. Eine fatale Auswirkung auf den christlichen Konservatismus habe die „Ostdenkschrift“ der evangelischen Kirche aus dem Jahre 1965 gehabt, da in dieser die Vertreibungsverbrechen an den Deutschen „zum Geschichtshandeln Gottes in Beziehung gesetzt“ worden seien. Wer in dieser Zeit für die Wiedervereinigung gewesen sei, sei somit „theologisch exkommuniziert“ worden, beklagte Seubert. Als Ursachen dafür, daß die christlichen Konservativen sich nicht durchsetzen konnten, kommt für Seubert nicht nur die politische Linke in Frage. Wenn Konservative scheiterten, so habe das „immer auch innere Gründe, die man nüchtern benennen muß.“

Der Lektor und Publizist Michael Wiesberg stellte die „idealistischen Nationalisten“ vor. Über diese Bezeichnung habe es vor dem Kongreß auch Kontroversen beim Institut für Staatspolitik gegeben, räumte Karlheinz Weißmann in seinen Vorworten zum Vortrag Wiesbergs ein. Er finde jedoch, daß der Begriff nach wie vor angebracht sei.

Unter „idealistische Nationalisten“ faßte Wiesberg eine konservative Strömung zusammen, die die Nation als den überragenden Maßstab sämtlicher Politikfelder ansah. Wiesberg bezog sich hauptsächlich auf den Staatsphilosophen Bernard Willms. Dieser hatte in der Vorbemerkung seines Buchs „Die deutsche Nation“ (1982) geschrieben, daß für die Deutschen „nichts so notwendig ist wie ein neuer Nationalismus.“ Willms wandte sich vor allem gegen den „westlichen Liberalismus“ und empfahl eine Rückbesinnung auf die „Ideen der Konservativen Revolution“. Der heute „zur Schau gestellte Antifaschismus“ sei „nichts anderes als der Versuch, mit einer Demagogie, deren Logik die des Bürgerkriegs ist, eine Selbstbesinnung der Deutschen als Deutsche zu verhindern, ihre Identität zu zerstören, ihr Selbstbehauptung zu schwächen“.

Der Geschäftsführer des IfS, Erik Lehnert, präsentierte die „preußischen Traditionalisten“, wobei er eingestand, daß sich auch aus der Rückschau nicht leicht beantworten lasse, ob Preußen nach 1945 eine Alternative gewesen sei. Sowohl die CDU als auch die Alliierten hätten offenbar „große Angst“ vor der geistigen Erschaffung eines neuen Preußens gehabt. Seit einigen Jahren sei jedoch „nach der einhelligen Verdammung Preußens eine Entspannung festzustellen“, insbesondere seit dem Bestseller von Christopher Clark („Preußen“, JF 13/07). Negativ gewendet bedeute dies allerdings, daß von Preußen keine Gefahr mehr ausgehe, „es muß nicht mehr bekämpft werden“. Trotz allem sei Preußen als Idee am Leben geblieben und könne weiterhin als Maßstab gelten, „an dem die Realität der Bundesrepublik gemessen werden muß“.

Den Abschluß der vierteiligen Reihe bildete noch einmal Karlheinz Weißmann, der eine Strömung vorstellte, die er als „deutsche Gaullisten“ bezeichnete. Dazu zählte er unter anderem die Publizisten Armin Mohler und Caspar von Schrenck-Notzing. Mohler hatte 1969 an den damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) geschrieben und die energische Vertretung von vier Wahlkampfthemen eingefordert: „Gegen den Atomsperrvertrag“, „Gegen die ‘Vergangenheitsbewältigung’“, „Gegen die ‘Mitbestimmung’“, „Gegen die Aufweichung der Bundeswehr“. Als Fazit mußte Weißmann jedoch konstatieren, die Geschichte des deutschen Gaullismus sei „eine Geschichte des Scheiterns, man könnte auch sagen: der vergebenen Möglichkeiten“.

Schließlich nahm der Soziologe Robert Hepp zur Diskussion um Thilo Sarrazin Stellung und warf diesem vor, die Einwanderungspolitik nur aufgrund der damit einhergehenden Verdummung zu kritisieren, nicht aber an der Erhaltung des deutschen Volkes interessiert zu sein. www.staatspolitik.de

 

Sezession

„Die Welt wird reißend konservativ …“ So beginnt Karlheinz Weißmann, den Schriftsteller und Vortragsredner Rudolf Borchardt zitierend, sein Editorial der aktuellen Sezession-Ausgabe. Das vom Institut für Staatspolitik (IfS) herausgegebene Heft widmet sich dem Themenschwerpunkt „Konservativ“. Es enthält neben einem Aufsatz von JF-Autor Thorsten Hinz, der sich mit der Zäsur der totalen geschichtlichen, politischen und kulturellen Niederlage von 1945 beschäftigt, Beiträge von Erik Lehnert (Die Preußen), Karlheinz Weißmann (Die Gaullisten), Harald Seubert (Die Christen), Rainer Waßner (Die Technokraten) und Michael Wiesberg (Die Nationalisten). Zwei weitere Texte befassen sich mit den Publikationen Criticón, Staatsbriefe und JUNGE FREIHEIT sowie der „rechten Intelligenz“. www.sezzesion.de

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