© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Ein Imperium mit verkrüppelter Währung
Euro-Krise: Der Finanzexperte Bruno Bandulet kommt zu einem vernichtenden Urteil über das Geld, das die Deutschen nicht wollten
Wilhelm Hankel

Es ist absurd, aber wahr: In der Euro-Krise sieht die EU ihre große Chance, die zerfallende Union europäischer Staaten doch noch zu einem Bundesstaat mit zentralen Funktionen und Institutionen auszubauen. Der Fehlschlag des Euros, der per „Sachzwang“, wie einst der allen ökonomischen Einsichten abholde Bundeskanzler Helmut Kohl meinte, die europäischen Völker zu einem Gemeinschaftsstaat vereinen sollte, bewirkt nicht durch seinen Erfolg, sondern durch seinen drohenden Zerfall dasselbe. Jetzt müssen die Staaten der EU zusammenrücken, um ihn mit Haushaltsmitteln zu stützen, interne Sparprogramme hin oder her.

Bruno Bandulet, ebenso kompetenter wie kritischer Kommentator der europäischen Währungsszene, hat in seinem neuen Buch: „Die letzen Jahre des Euro“ den unaufhaltsamen Zerfallsprozeß der Gemeinschaftswährung mit der klinischen Kühle des Analytikers beschrieben. Er zeigt, wie europäische Technokraten vor gut zwanzig Jahren einen Masterplan entwickelten, der zwei Ziele auf einen gemeinsamen Nenner bringen sollte: Europas Staatenwelt monetär zu vereinigen und gleichzeitig den wohlhabendsten unter ihnen – Deutschland – dafür zahlen zu lassen.

Niemals so stark und stabil wie die D-Mark

Als 2001 die neuen Noten vorgestellt wurden – Griechenland war noch nicht dabei – fiel ihm auf: „Der Schriftzug Euro war doppelt aufgedruckt – in lateinischen Noten und auf griechisch“. Die Aufnahme der europäischen Weichwährungsländer – nicht nur der gegenwärtigen, sondern aller – in einen europäischen Hartwährungsclub war von der ersten Minute an geplant. Damit stand zweierlei fest: Der Euro würde niemals so „stark sein und bleiben wie die Mark“, wie der damalige Finanzminister Theo Waigel (CSU) seinem Volk versprach. Und die in der neuen Währung auflaufenden Leistungsbilanzdefizite der alten Schwachwährungsländer würden von jetzt ab die an ihrer Stabilitätsdisziplin festhaltenden ehemaligen Hartwährungsländer bezahlen müssen: also neben Deutschland die Niederlande, Finnland und Österreich. Sie waren die einzigen „Anschaffer“ des neugeschaffenen Währungskonkubinats!

Das übersah auch Hans Eichel (SPD). Er hatte als hessischer Ministerpräsident der Euro-Einführung und als Bundesfinanzminister dem Euro-Beitritt Griechenlands zugestimmt. Später dokumentierte er seine Kompetenz überzeugend mit der Entschuldigung: „Hinterher sind wir alle klüger.“

Bandulet erinnert nicht ohne Bitterkeit an die Versuche aufrechter Bürger (die klüger waren als ihre Politiker), die versuchten, dem Unheil zu wehren, solange es noch ging. Der 1994 gegründete Bund Freier Bürger (BFB) war der einzige politisch organisierte Widerstand gegen das mit den Maastricht-Verträgen an die Wand geschriebene heraufziehende Unheil. Schon ein Jahr zuvor hatte sein Initiator, der frühere EU-Beamte und FDP-Politiker Manfred Brunner, zusammen mit dem renommierten Verfassungsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider als Prozeßbevollmächtigtem das Bundesverfassungsgericht angerufen; es solle prüfen, ob der Verzicht auf die D-Mark mit den Grundsätzen deutscher Staatlichkeit zu vereinbaren sei.

Kritiker des Euro als Anti-Europäer diffamiert

Das Gericht fällte ein „Radio-Eriwan-Urteil“: im Prinzip ja – aber: nämlich unter dem Vorbehalt, daß die neue Währung so stabil sei wie die alte. Und es knüpfte kühn, aber hypothetisch daran die Schlußfolgerung: Falls das nicht der Fall sei, könne jede deutsche Regierung wegen Verletzung der Geschäftsgrundlage die Europäische Währungsunion auch wieder verlassen. Was zunächst niemand wahrhaben wollte: Die Richter hatten Mut, Mentalität und Qualität deutscher Politiker absolut richtig eingeschätzt – denn diesen Schritt würde keiner wagen.

Bandulet hält deutschen Spitzenpolitikern und ihren Lautverstärkern in den Medien den Spiegel vors Gesicht. Weder wurden die im „Maastricht-Urteil“ vorhandenen Möglichkeiten deutscher Politik fachlich kompetent dargestellt, noch wurden die Mitglieder des BFB als das behandelt, was sie waren: Widerständler gegen eine ebenso unbelehrbare wie in ihren Repressionsmethoden nicht gerade wählerische Staatsgewalt. Letztere hatte nicht die geringsten Skrupel, BFB-Mitglieder und Sympathisanten in den eigenen Reihen unter Druck zu setzen und wahlweise als Anti-Europäer zu diffamieren oder als unbelehrbare Nationalisten in den Ruch des Neonazismus zu bringen.

Dies ist übrigens bis heute gängige Praxis. Selbst nachdem sich der bevorstehende Untergang des Euro nicht mehr verheimlichen läßt, bezeichnete der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), den Verfasser dieser Zeilen in offener Diskussion vor Publikum als „alten Nationalisten“. Das ihn ausbuhende Publikum sollte ihm klargemacht haben, daß solche „Argumente“ heute so wenig wie damals überzeugen.

Bandulets Fazit aus Vorgeschichte und zehn Jahren Euro-Praxis ist ebenso richtig wie bitter. Die Vereinigung von Überschuß- und Defizitländern in derselben Währung konnte nur in der Überschuldung der letzteren enden. Jetzt drohen die aufgespannten Rettungsschirme beide Seiten mit Inflation und Zerrüttung der Staatsfinanzen in noch größeres Unheil zu stürzen. Der Wahn, einen europäischen Superstaat auf der Grundlage einer zerfallenden Währung zu errichten, wird den alten Kontinent zum kranken Mann der Weltwirtschaft degradieren.

Vor 650 Jahren warf die Schwarze Pest, gegen die man kein Heilmittel hatte, Europa um 200 Jahre zurück. Jetzt besorgt dasselbe monetärer Wahnsinn, gegen den man ein Heilmittel hätte: die Auflösung der Währungsunion, bevor sie zerbricht. Bandulets Buch sei deutschen Verfassungsrichtern empfohlen, die jetzt entscheiden müssen, ob Deutschlands „Abwrack-Prämien“ für den Euro durch ihr Urteil von 1993 gedeckt sind.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel leitete unter Karl Schiller die Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und war Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Kürzlich erschien die dritte und aktualisierte Auflage seines Buches „Die Euro-Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen“. Weiterführende Informationen:  www.dr-hankel.de

Foto: Kundgebung gegen Euro-Einführung in Frankfurt 1998: EU-Superstaat mit zerfallender Währung?

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