© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/10 08. Oktober 2010

Unter den Augen eines staatlichen Aufpassers
Berlin: Der Auftritt des Islamkritikers Geert Wilders gerät trotz polizeilicher Beobachtung zum erfolgreichen Testlauf für die Stadtkewitz-Partei
Fabian Schmidt-Ahmad

Da war er also, der „Rattenfänger“, „Rechtspopulist“ und „Islamfeind“. Er, der von Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP) als „zwielichtige Figur“ und von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als „Scharlatan“ beschimpft wurde. Als der niederländische Politiker Geert Wilders am vergangenen Sonnabend den Saal eines Berliner Hotels betrat, hätte der Eindruck nicht gegensätzlicher sein können. Wie im Auge eines Sturms umringt von einem drängenden, schiebenden Pulk Fotografen, schritt eine hochgewachsene Gestalt ruhig und konzentriert zur Bühne. Wilders löste damit ein Versprechen bei dem Berliner Abgeordneten René Stadtkewitz ein, der ihn in die deutsche Hauptstadt eingeladen hatte und daraufhin aus der Berliner CDU-Fraktion hinausgeworfen wurde (JF 37/10).

Bis zuletzt war aus Sicherheitsgründen der Veranstaltungsort geheimgehalten worden. Jedenfalls war es ursprünglich so geplant. Doch durch Indiskretionen aus „Sicherheitskreisen“ wurde der Name des Hotels „Berlin, Berlin“ bereits am Vortag bekannt, was zu dem kuriosen Ergebnis führte, daß vor dem Gebäude bereits eine Gegendemonstrationen angemeldet war, noch bevor die Teilnehmer der Wilders-Veranstaltung offiziell informiert werden konnten. Allein, es fanden sich trotz arabischer und türkischer Flugblätter nur gut drei Dutzend Demonstranten zusammen, die das Motto ihrer Veranstaltung – „Kein Auftritt für Geert Wilders in Berlin und anderswo! Protestieren, hinsetzen, blockieren!“ – nicht auch nur im Ansatz umsetzen konnten. Dagegen war der Tagungssaal des Hotels mit über fünfhundert Plätzen restlos überfüllt. Laut Veranstalter verfolgten zudem zahlreiche Interessenen die Veranstaltung über das Internet. Es war das erste Großereignis der von Stadtkewitz erst kürzlich der Öffentlichkeit präsentieren Partei „Die Freiheit“ (JF 38/10), welche nicht zufällig Wilders Partei für die Freiheit zum Vorbild hat.

Haperte es zwar außerhalb des Gebäudes mit dem Sicherheitskonzept, so zeigte sich Polizeipräsident Dieter Glietsch in anderer Hinsicht bestens gerüstet. Ein Justitiar der Polizei verfolgte im Saal den Auftritt Wilders. In einen Brief an Stadtkewitz drohte Glietsch, daß dieser die Veranstaltung sofort abbrechen würde, sollte Wilders mit seinen Aussagen gegen deutsches Recht verstoßen. „Volksverhetzung lassen wir uns nicht bieten“, rechtfertigte Justitiar Oliver Tölle seine Rolle als amtlicher Zensor. Doch Tölle griff nicht ein – noch scheint es in Deutschland erlaubt zu sein, zur Bewahrung und Verteidigung der eigenen kulturellen Identität aufzurufen (siehe  die Redeauszüge auf Seite 7).

Wilders, der an der Grenze zu Deutschland aufwuchs, redete in fließendem Deutsch. Ruhig und klar akzentuiert entwickelte er die Argumentationsketten, unterbrochen nur von donnerndem Applaus. War das also der Auftritt eines Demagogen, der mit der Ekstase der Masse spielt? Doch wo war der Appell an die dumpfen Instinkte des Menschen, an Furcht und Gier? Wilders appellierte an den Intellekt seiner Zuhörer. Die Begeisterung, die er dadurch auslöste, hatte einen anderen Grund. Denn demjenigen, der die Wahrheit über Dinge ausspricht, die jeder kennt, aber keiner zu benennen wagt, weil jeder die Konsequenzen fürchtet, dem schlägt Bewunderung entgegen.

Denkschablonen, die mit eingefahrenen Ressentiments der Vergangenheit arbeiten, wurden hier abgestreift. Da sprach ein Niederländer mit besten Kontakten nach Israel davon, daß Europa ein starkes, selbstbewußtes Deutschland brauche, will es von diesem nicht mit in den Abgrund gerissen werden. Denn ohne dieses Bewußtsein habe es der drohenden Islamisierung schlechterdings nichts entgegenzusetzen. Daß Wilders es mit diesen Worten ernst war, zeigte der Umstand, daß er den bisher wichtigsten Tag seiner politischen Karriere in Berlin verbrachte: Zeitgleich zur Veranstaltung in Berlin versammelten sich in den Niederlanden 5.000 Christdemokraten zum größten Parteitag in der Geschichte des Landes, um über das zukünftige Verhältnis zu Geert Wilders Freiheitspartei zu beraten (siehe Seite 9).

Wie anders dagegen die Verhältnisse in Deutschland: Die deutsche Schwesterpartei von Wilders Freiheitspartei erlebte an diesem Tag ihre erste Bewährungsprobe, bevor es 2011 bei derWahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ernst wird. Aber kann die Stadtkewitz-Partei zum erfolgreichen Nachbarn aufschließen? Scheinbar unmöglich, betrachtet man die negative Berichterstattung der meisten Medien über die Veranstaltung. Doch hat der Auftrit von Geert Wilders auch gezeigt, wie die Gegenöffentlichkeit mobilisiert werden kann.

Weitere Informationen im Internet unter www.diefreiheit.org

Foto: Mehr als Fünfhundert Zuhörer verfolgten die Rede von Geert Wilders:  Donnernder Applaus

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