© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Leserbriefe

Zu: „Im Geiste Orwells“ von Martin Lichtmesz, JF 39/10

Lettow-Vorbeck: Kein Bedauern

Es ist zynisch, Afrikaner gegen sich selber für die deutsche Kolonialherrschaft in den Tod zu schicken. Insofern ist es nicht zu bedauern, wenn keine Straße mehr nach Lettow-Vorbeck benannt ist.

Simon Aumeier, Weiden

 

 

Zu: „Ausradierte Geschichte“, JF 39/40

Für das Leben, gegen Ehrenburg

Anscheinend schafft sich Deutschland nicht nur selbst ab, wie Sarrazin schreibt, zum Beispiel durch staatlich geförderte, steuerfinanzierte Abtreibungen, sondern es entehrt sich auch noch wie kein anderes Volk auf der Welt durch Dummheit und Geschichtslosigkeit: Denn Straßen nach dem Deutschenhasser Ilja Ehrenburg zu benennen, der erwiesenermaßen und keineswegs „umstritten“ zum Massenmord und zur Vergewaltigung „germanischer Frauen“ aufgerufen hat, ist wohl beispiellos, auch wenn man dem Autor eine berechtigte Wut auf die Deutschen zugute halten sollte. Mein Großonkel, General Otto Lasch, besaß das Flugblatt mit dem Aufruf Ehrenburgs und hat dessen Inhalt in seinem Buch „So fiel Königsberg“ (Motorbuch-Verlag, 1977) abgedruckt. Im Aufruf dieses sowjetrussischen Schriftstellers, der als Flugblatt unter den russischen Soldaten verteilt wurde, heißt es: „Tötet! Tötet! Es gibt nichts, was an den Deutschen unschuldig ist, die Lebenden nicht und die Ungeborenen nicht! Folgt der Weisung des Genossen Stalin und zerstampft für immer das faschistische Tier in seiner Höhle. Brecht mit Gewalt den Rassehochmut der germanischen Frauen! Nehmt sie als rechtmäßige Beute!“

Annemarie Maeger, Hamburg

 

 

Zu: „Was man nicht sagen darf“ von Thorsten Hinz, JF 38/10

Primitivste Vorurteile bedient

Thorsten Hinz schreibt bewundernd über Erika Steinbach: „jeder Zoll an ihr eine Offizierstochter“. Und er setzt fort: „Dagegen dann die vergnomten, lauernden, verwaschen-amorphen Vertreter der informellen Blockparteien.“ Man reibt sich die Augen bei diesen unglaublichen Ausdrücken, mit denen primitivste Vorurteile ins Spiel gebracht werden: Hochgewachsen ist gleich edel, wahr, gut und schön – und dagegen die gemeinen Giftzwerge, die zu ihrem zusätzlichen Pech auch noch amorph sein sollen (wobei doch das Krumme auch Gestalt und Kontur hat). Richard Wagner hätte wohl seine Freude an diesem Satz gehabt – Lichtenberg und Galiani, beide kleinwüchsig, mit Buckel, zwei der interessantesten und geistreichsten Gestalten im 18. Jahrhundert, wären wohl weniger amüsiert gewesen. – Wenn „konservativ“ bedeutet, die Gegner auf primitive Weise lächerlich zu machen, zu diffamieren, möchte ich nichts mit dieser Haltung zu tun haben. Tatsächlich machen Sie mit solchen Ausfällen sich selbst unglaubwürdig.

Dr. Wolfgang Baur, Wolfratshausen

 

Sozialistische Geschichtsstunde

Thorsten Hinz hat recht: Zum Ausgleich dafür, daß die DDR der BRD angeschlossen wurde und nie ernsthaft geprüft wurde, was für ein gemeinsames, neues Deutschland eventuell auch aus der DDR hätte übernommen werden können (da gab es meiner Meinung nach viel mehr als den „Grünen Pfeil“), hat sich die BRD im Umkehrschluß nun inzwischen vollkommen der SED-Sicht auf die Geschichte und Vorgeschichte der zwei großen Weltkriege angeschlossen, zumindest ihre medial präsenten politischen und ideologischen „Eliten“. Gerechtigkeit muß eben sein. Laut dem Spiegel (13. September 2010) hat sich unserer aller Kanzlerin gewundert, „daß die Kriegsschuldfrage überhaupt noch ernsthaft diskutiert wird“. Und dann kommt es: „‘Wir saßen doch alle im Geschichtsunterricht’, sagte sie in einer Runde mit Vertrauten“.

Das muß man erst einmal in Ruhe begreifen: Wenn die CDU-Vorsitzende sich entscheiden soll, wer recht hat, ihr ehemaliger sozialistischer Geschichtslehrer oder Erika Steinbach, eine Parteifreundin aus dem Bundesvorstand, dann zögert sie keine Sekunde: Natürlich hat mein alter Geschichtslehrer recht, der eingeschworen wurde auf die stalinistische Sicht eines Weltkriegssiegers. Und außerdem hatten wir das auch im FDJ-Schuljahr extra noch mal ausführlich durchgenommen. Nein, ganz so weit geht ihre historische Beschränktheit nicht, das zu sagen, aber gedacht, unbewußt, hat sie es wahrscheinlich.

Dr. Ralf Hickethier, Leipzig

 

Militärischen Konflikt angestrebt

Der Vorsitzende der Unionsfaktion, Volker Kauder, und mit ihm wohl die gesamte politische Klasse haben wie die Pawlowschen Hunde reagiert – auf ein bestimmtes Signal konditioniert, geiferten sie. Stellt doch Frau Steinbach die deutschen Schuldbekenntnisse und Sühneerklärungen, die zum Ritual der deutschen Politik gehören, in Frage. Eifersüchtig über die pathologisch vertretene „Alleinschuldthese“ wachend, stellt Kauder – pars pro toto – denn auch fest, daß es keine Zweifel an der Schuld der Deutschen am Zweiten Weltkrieg gäbe.

In einem freien Staat sollte es weder Sache der Politik noch der Justiz sein, geschichtliche Wahrheiten zu definieren, denn der Maßstab für Wahrheit ist nicht die Political Correctness, sondern noch immer deren Richtigkeit. So wurde schon 1965 auf einer internationalen Historikerkonferenz in Wien festgestellt, daß Deutschland keineswegs die Alleinschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte. Stellt sich die Frage: Ist die geschichtliche Unbedarftheit von Kauder und Co. nur Ignoranz oder vorsätzliches Unterdrücken der Wahrheit? Wie auch immer – beides ist verwerflich! Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland Asher Ben-Nathan hat eine treffende Feststellung über die Beurteilung von Kriegsschuldzuweisungen gemacht: „Es ist weniger entscheidend, wer den ersten Schuß abgegeben hat, sondern was diesem vorausging.“ Und das ist in der Tat das Verhalten Polens. Unwillig zu einer vernünftigen Lösung mit Deutschland, strebte Polen im Vertrauen auf England den militärischen Konflikt an. Sofort nach der Garantieerklärung der Westmächte im März 1939 begann die Leidenszeit der Deutschen in Polen, die am 3. September 1939 ihren Höhepunkt im sogenannten „Bromberger Blutsonntag“ fand.

Burkhard Beetz, Sickte

 

Propaganda von Radio Warschau

Zur Kontroverse um Erika Steinbachs Erklärung eine Erinnerung meinerseits:Im Jahr 1938 begann ich als jugendlicher Funkhörer aktiv zu werden, wobei ich später mit der Gestapo in Konflikt kam. Mit einem selbstgebastelten Funkempfänger hörte ich mich abends, wenn die Ausbreitungsbedingungen gut waren, auf der Kurzwelle um. Dort, im Äther, war der Propagandakrieg bereits ausgebrochen.

So hörte ich Anfang März auf Kurzwelle Radio Warschau in deutscher Sprache. Den Inhalt einer Sendung habe ich noch immer im Ohr: Der Sprecher verkündete die Drohung, daß sollte es zu einem Kriegsausbruch zwischen Polen und Deutschland kommen, drei Wochen später die polnische Kavallerie durch das Brandenburger Tor in Berlin einreiten würde. Diese Sendung ist vermutlich längst in Vergessenheit geraten. Doch Frau Steinbach sollte man dieses scharfmacherische verbale Muskelspiel der damaligen polnischen Propaganda zugute halten.

Hans-Alfred Berger, Bad Bramstedt

 

Zeugnis fehlender Geschichte

Das Gerede vom deutschen „Überfall“ auf Polen demonstriert ein gehöriges Maß historischer Ahnungslosigkeit. Mit Beistand Frankreichs und Amerikas hatte es Polen  verstanden, sich über das Versailler Diktat deutsche Gebiete anzueignen. So wurden Westpreußen, die Provinz Posen und Teile von Oberschlesien polnisch. Nach dem Krieg mit der Sowjetunion 1921 raubte es Teile der Ukraine, Weißrußlands und Litauens. Erst durch den Hitler-Stalin-Pakt wurde die in Versailles festgelegte Ostgrenze (Curzon-Linie) wieder installiert, die noch heute Gültigkeit besitzt. Auch hatte Polen von 1918–1939 die Minderheitenvereinbarungen nicht eingehalten. In dieser Zeit wurden etwa 1,3 Millionen Deutsche vertrieben und vermutlich Tausende wurden ermordet. Von Mitte 1939 bis zum 20. August des Jahres verließen 80.000 Deutsche gezwungenermaßen Polen. Vom 23. bis 25. August 1939 wurden mehrere Lufthansa-Flugzeuge (unter den Kapitänen Gutscheidt, Böhmer und Rutschow) von polnischer Seite beschossen – die Dokumente hierüber liegen bis heute im Archiv des Auswärtigen Amtes. Zudem wurde bereits im März 1939 eine Teilmobilmachung durchgeführt und so die Armee auf 750.000 Mann aufgestockt. Bereits vor der Generalmobilmachung Polens am 24. August 1939 hatte der Generalstabschef Edward Rydz-Smigly im Juni ein Bild von sich in Auftrag gegeben, das darstellen sollte, wie er auf einem Schimmel siegreich durch das Brandenburger Tor reitet.

Offenbar hat Polen es immer verstanden, sich als Opfer darzustellen.

Leo P. Kasnitz, Wesel

 

 

Zu: „Der Wind dreht sich“ von Michael Paulwitz, JF 37/10

Im Gegenteil, es geht weiter

Ändert sich etwas durch Sarrazins Buchveröffentlichung? Auch wenn die Debatte Deutschland bewegt, darf daran gezweifelt werden. Keinem Migranten werden Leistungen gekürzt, wenn die Kinder nicht am Schwimmunterricht teilnehmen, wenn sie nicht zur Schule kommen, wenn sie weiterhin demonstrativ, im öffentlichen Raum Kopftuch tragen. Im Gegenteil, der Schwimmunterricht wird geschlechtergetrennt durchgeführt, an den Schulen wird nur noch Essen halal für alle angeboten, es darf weiter entgegen dem Tierschutz geschächtet werden. Durch den Integrationsgipfel werden weitere Forderungen der Islamverbände aufgenommen und realisiert werden: Islamunterricht, Bau weiterer Moscheen, teilweise Einführung der Scharia, Islamophobie wird unter Strafe gestellt.

Ralf Borschke, Vogelsang / Mecklenburg-Vorpommern

 

 

Zu: „Ich finde Sarrazin mutig“, Interview mit André Herzberg, JF 37/10

Frage des Gewöhnungseffekts

Herzberg erinnert sich an das, „was Diktatur mit dir macht: du siehst es gar nicht mehr!“ Das wurde mir vor wenigen Wochen während einer Radtour entlang des sogenannten „Mauer-Radweges“ in Berlin deutlich. Auf Fragen an unsere Ostberliner Führer nach ihren damaligen Empfindungen hinsichtlich der Einsperrung eines ganzen Volkes, antworteten sie etwas verlegen und achselzuckend: „Tja, man gewöhnt sich dran.“– Der Zeitfaktor ist auch ein gängiges Mittel der Politik zur Durchsetzung ihrer Ziele: Fakten werden, auch wegen angeblicher Alternativlosigkeit, geschaffen und über eine gewisse Zeit trotz evidenter Untauglichkeit beibehalten, bis ein Gewöhnungseffekt beim Bürger eintritt, der sie dann irreversibel macht.

Eberhard Koenig, Baiern

 

 

Zu: „Die Treibjagd auf Sarrazin“, JF 36/10

Politisch-korrekte Gen-Theorie

Wenn Sarrazin behaupten würde, wir Deutschen hätten ein Gen, das uns speziell für Ausländerfeindlichkeit und gegen Multikultur prädestiniert, dann wäre ihm der Beifall aller Linker und ihresgleichen sicher gewesen. So aber hat er die besten Chancen, aus seiner Volkspartei ausgeschlossen zu werden. Aber das ist ja mittlerweile Normalität in Deutschland. Alle „Volksparteien“ machen das so. Wer unerwünschte Themen zur Diskussion stellt, gerät ins Abseits – obwohl gerade die Gesellschaft überwiegend die Meinung Sarrazins teilt.

Hans Demmeler, Memmingen

 

Regierung und Opposition: Übel

Es kommt nicht oft vor, daß Politiker gegen das eigene Volk rebellieren. Im Fall Sarrazin ist es so. Selbst in Europa dürfte dies einmalig sein. Es gibt bis heute keinen Politiker, der die Thesen Sarrazins widerlegen kann! Es gibt keine Umfrage, aus der nicht hervorgeht, daß eine Mehrheit der Bürger die Meinung Sarrazins teilt! Wer sich das Verhalten von Regierung und Opposition in unserem Lande ansieht, dem kann übel werden. Ein derartiges Verhalten wäre in Frankreich, Italien oder England völlig unmöglich. Das ängstliche Schielen nach dem Ausland, eine völlig verrückte „politische Korrektheit“ und eine „Tu-nix-Mentalität“ prägen unser Land. Da ziehe ich doch lieber den Hut vor Sarkozy und Berlusconi. Aber das sind ja wieder „Populisten“ – sagt man hierzulande. Oder um es mit Stanislaw Jerzy Lec zu sagen: „Es gibt Stücke, die so schwach sind, daß sie aus eigener Kraft nicht vom Spielplan runterkönnen.“

Rudolf Prill, Freising

 

 

Zu: „Sarrazin ist kein Sozialdarwinist“ von Karlheinz Weißmann, JF 37/10

Mißverständliche Trias

Das abgebildete Trio „Affe, Darwin und Sarrazin“ suggeriert, daß Sarrazins Ideologie sich auf einem Gleise bewegt, das von der Evolutionstheorie zu einer Politik führt, die keine moralischen Grenzen kennt. Dann aber wäre es logisch anzunehmen, daß Sarrazin eine türkische Einwanderung und den kulturpolitischen Einfluß dieses reproduktionsfreudigen, und damit „biologisch starken“ Elements in Deutschland befürworten würde. Wer soll da nun für wen büßen: Darwin für Sarrazin, Sarrazin für Darwin oder der Affe für beide?

Prof. Dr. Hrvoje Lorkovic, Ludwigshafen / Bodensee

 

 

Zu: „Irre Ideologien“ von Jürgen Liminski, JF 37/10

Institutionalisierte Ideologie

Es erscheint mir als Fehler, die Gender-Mainstream-Diktatur nur als „irre Ideologie“ eines eher unverbindlichen Charakters zu betrachten. Erstens sind entsprechende EU-Verordnungen schon seit den neunziger Jahren institutionalisiert, und die EU-Mitgliedsstaaten sind gezwungen, deren Richtlinien umzusetzen. Zweitens ist die Abschaffung von Mann und Frau eine reale Vision geworden, seit die Wissenschaft Land sieht für die Retortenzüchtung des Menschen. Drittens gibt es nichts aus Brüssel – und sei es noch so unsinnig –, das vom politischen Mainstream nicht angenommen und umgesetzt worden wäre! Dr. Hans Berger,

Birsfelden / Schweiz

 

 

Zu: ,,Gene sind kein Schicksal“ von Daniel Körtel, JF 36/10

Ursprünglich DNS statt DNA

Wiederholt ist in Ihrem Beitrag die Rede von der DNA. Dabei ist die DNS eine deutsche Entdeckung, bevor sie in Amerika zur DNA wurde. Das ursprüngliche deutsche Kürzel scheint nahezu aus unseren Medien zu verschwinden.                        

Manuel Göring, Essen

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