© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/10 01. Oktober 2010

Meldungen

Archäologie im Schatten von Versailles

BERLIN. Der Archäologe Gerhart Rodenwaldt (1886–1945) wollte die „Befreiung“ Berlins durch die Sowjetarmee lieber nicht abwarten und wählte mit seiner Frau Ende April 1945 den Freitod. Erst 1971 fand man auf dem Dachboden seines verlassenen Hauses in Lichterfelde die umfangreiche Korrespondenz des Gelehrten, der von 1922 bis 1932 an der Spitze des Deutschen Archäologischen Instituts stand, das er zum „weltweit größten archäologischen Forschungsinstitut“ ausbaute. Daran erinnert der derzeitige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Prähistoriker Hermann Parzinger, der auf die eminente wissenschaftshistorische Bedeutung dieser „wahren Fundgrube“ aufmerksam macht, die heute die Berliner Staatsbibliothek verwahrt (Bibliotheks-Magazin, 2/2010). Mit dem Inhalt der 728 Briefmappen lasse sich die Entwicklung der archäologischen Wissenschaften in der Zeit nach 1918 mitsamt des von Rodenwaldt gesponnenen „kulturpolitischen Netzwerkes“ rekonstruieren. Die zeige den „Wissenschaftsmanager“ auch als erfolgreichen Strategen, dem es gelungen sei, den vom Versailler Diktat inspirierten Boykott der deutschen Altertumswissenschaft zu durchbrechen.  www.staatsbibliothek-berlin.de (ob)

 

„Euro-Waisen“ durch Pflegemigration

Frankfurt/Main. Vor genau hundert Jahren fand der erste Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in der Mainstadt statt. Grund genug, die Jubiläumstagung vom 11. bis zum 15. Oktober wieder am Ursprungsort auszurichten. Was das Phänomen einer europäischen Arbeitsmigration von Ost nach West angeht, dürfte sich seit 1910 wenig geändert haben, wie eine Studie in der dazu erschienenen Ausgabe von Forschung Frankfurt (2/2010) verrät. Zeitgemäß durch die Gender-Brille wurde der „Care Chain“ durch bis zu 145.000 „im Westen“ pflegebetreuende Polinnen oder Ukrainerinnen untersucht. Gender-Forscherin Helma Lutz konstatiert, daß die „normative Abwertung der Abwesenheit“ der transnationalen „Skype-Mütter“ und ihrer „Euro-Waisen“ wegen des „unverändert traditionellen Familien- und Männlichkeitsbildes“ in den östlichen Heimatländern zu tiefgreifenden sozialen Verwerfungen führt. Die zunehmende Skandalisierung in der dortigen Presse entbehre jedoch häufig einer „kritischen Reflexion“. www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de (bä)

 

Erste Sätze

Ein trüber Himmel hängt über dem Land.

Walter Görlitz: Die Junker, Glücksburg, 1956

 

Historisches Kalenderblatt

5. Oktober 1980. Trotz des Erreichens von 44,5 Prozent als stärkste Partei verliert Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß (CSU) die Wahl zum 9. Deutschen Bundestag gegen die von Helmut Schmidt geführte sozialliberale Koalition (SPD: 42,9 Prozent; FDP: 10,6 Prozent).

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