© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Leserbriefe

Zu: „Was man nicht sagen darf“ von Thorsten Hinz, JF 38/10

„Revisionismus“ revidieren

Endlich ist Erika Steinbach in die Offensive gegangen. Damit hat sie nicht nur bei den Heimatvertriebenen uneingeschränkten Beifall erhalten. Einige ihrer Formulierungen in der Rede am Tag der Heimat haben mich allerdings nachdenklich gestimmt. Wenn sie erklärt, daß es eine „Ungeheuerlichkeit“ sei, dem BdV sowie den Mitgliedern Tölg und Saenger „ein revisionistisches Geschichtsbild zu unterstellen“, so verwendet sie den Begriff „Revisionismus“ rein negativ.

Das ist er von Hause aus aber nicht. Er wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion und ihren Verbündeten als negatives Unwort in der politischen Auseinandersetzung so verwendet und in dieser Bedeutung auch durchgesetzt. Der Begriff Revisionismus (vom lateinischen: revidere – „wieder hinsehen“) bezeichnet Versuche, eine geltende historische, politische oder wissenschaftliche Erkenntnis und Position nochmals zu überprüfen, in Frage zu stellen, neu zu bewerten oder umzudeuten. Der Begriff wird sowohl von den Befürwortern als auch von den Gegnern solcher Revisionen verwendet. Was soll an „revisionistischem“ Denken demnach „ungeheuerlich“ sein? Eine Wissenschaft, die Revisionen nicht zuläßt, ist gar nicht vorstellbar.

Dieter Dziobaka, Hamburg

 

 

Zu: „Die konservative Renaissance“ von Dieter Stein, JF 38/10

Thesen wie Sonnenstrahlen

Die Frucht für die Gründung einer neuen Partei rechts von der CDU/CSU hängt schon am Baum. Die Frage ist nur, wie lange der Reifeprozeß für diese Frucht dauert und wer die Frucht erntet. Vor mehreren Jahren fragte ich als CDU-Mitglied auf einer Regionalkonferenz der neuen Bundesländer im Axel-Springer-Haus in Berlin Frau Merkel, ob sie sich vor Diskussionen um eine neue Partei rechts von der Union fürchte – schließlich gebe es in konservativen CDU-Kreisen Süddeutschlands Stimmen, die laut über eine neue Partei nachdenken und es nicht hinnehmen wollen, daß die CDU/CSU ihre konservative Werteorientierung auf dem Altar der Beliebigkeit und Anbiederei opfert.

Merkel schickte zur Beantwortung dieser Frage ihren damaligen Generalsekretär Roland Pofalla ans Mikrophon. Der sagte sinngemäß: Eine demokratisch legitimierten Partei wird es rechts von der CDU niemals geben. Sollte sich aber eine Partei rechts von der CDU/CSU gründen wollen, wäre diese eine rechtsradikale Partei, die schon in ihren Anfängen bekämpft werden müsse.

Sarrazins Thesen sind da wie Sonnenstrahlen, die den eingangs erwähnten Reifeprozeß der Frucht beschleunigen wird. Fest steht aber auch, daß die Berufsmoralisierer und Gutmenschen in Politik und Medien alles unternehmen werden, um den Reifeprozeß der Frucht zu verhindern.

Karsten Knolle, Quedlinburg

 

 

Zu: „Der Wind dreht sich“ von Michael Paulwitz, JF 37/10

Zwei Parallelgesellschaften

Es wird höchste Zeit, daß aus Berlin wieder Politik für und nicht mehr gegen uns Deutsche gemacht wird. Solange in einer Parallelwelt lebende, rückgratlose deutsche Politiker und ein beträchtlicher Teil der – ebenfalls in einer Parallelwelt lebenden – Ausländer die Richtlinien unserer Politik bestimmen, kann es auf allen Feldern der Politik täglich nur schlimmer werden. Unsere Kanzlerin muß einen energischen, grundsätzlichen Kurswechsel der Politik unseres Landes vornehmen, wenn sie nicht als ein Tiefpunkt oder gar als ein Wegstein zum Endpunkt der deutschen Geschichte in die Geschichtsbücher eingehen will. Bisher tat sie sich eher in einer Mischung von Finassieren und Herumwursteln hervor. Solange wir Deutschen noch die Mehrheit im Land sind, ist ein Kurswechsel möglich. In dem Maße, in dem die Deutschen aber aufhören die Mehrheit im eigenen Land zu sein, in dem Maße werden Einigkeit und Recht und Freiheit Deutschlands, des Herzen Europas, verlorengehen. Ist Frau Merkel die Person, die zu einer solchen grundsätzlichen Neuorientierung in der Lage ist? Dies wird sich zeigen. Gott gebe, daß sie es ist.

Robert Weller, Ginsheim

 

 

Zu: „Ich finde Sarrazin mutig“, Interview mit André Herzberg, JF 37/10

Wunderbar herzerfrischend

André Herzberg ist in dem Interview wunderbar und herzerfrischend, daß ich bei der Lektüre laut lachen mußte. Er bringt das Problem der Nachkriegsdeutschen exakt auf den Punkt. Nach all dem Unheil, das von Deutschland ausging, wollen wir nun unbedingt den Musterknaben geben. Das alles in der leicht schnoddrigen und witzigen Weise vorgebracht, ist die Lektüre ein wahres Vergnügen und dürfte überzeugender wirken als manche ernsthafte Stellungnahme in Sachen Sarrazin.

Dr. Peter Brehme, Berlin

 

Vielzahl deutscher Defekte

André Herzberg weist mit Sympathie und Offenheit sehr direkt auf eine Vielzahl typisch deutscher Defekte als auch auf Manipulations- und Einschüchterungsstrategien bestimmter Kreise hin.

Es wäre zu schön, an eine „Götterdämmerung“ oder gar Erhebung gegen die ständig größer werdende Indoktrinierung durch Politiker aller Couleur, Medien und Gutmenschen zu glauben. Der Schuldkult ist im deutschen Volk zu tief implantiert worden und die Nazikeule wird weiter als Totschlagargument eingesetzt, während die Medien für die „Exekution“ der betreffenden Personen sorgen. Das Zitat aus dem Mittelalter: „Der Bote, der die Wahrheit überbringt, sollte sein Pferd stets gesattelt halten!“ ist leider aktueller denn je! Zufällig machten heute Journalisten im Radio die Aussage, daß die BRD ein Hort für freie Meinungsäußerung sei! Wer daran glaubt, dem sei zugerufen: „Optimisten sind Zeitgenossen, die mangelhaft informiert sind!“

Uwe Rieckhoff, Upgant-Schott

 

Ernüchternde Parallelen

Trotz unterschiedlicher Sozialisation stehen sich in ihren politischen Werten Sarrazin und Herzberg sehr nahe. Das Interview Herzbergs zur Sarrazin-Debatte belegt auf ernüchternde Weise die Parallelen des Umgangs der Merkelschen Demokratie mit Andersdenkenden zur Situation der letzten Jahre in der DDR. Diese ist gekennzeichnet durch den Veränderungswillen der übergroßen Mehrheit und den senilen Gedankengängen einer nur noch an Machterhaltung interessierten und durch spätpubertären Aktionismus agierenden politischen Nomenklatura. Der überwiegende Teil der heute Mächtigen hätte auch in der DDR Karriere gemacht, weil sie einfach das Zeug dazu haben. Die selbsternannten Moralwächter, die draußen parallel zur Lesung Sarrazins in Potsdam demonstrierten, merken immer noch nicht, daß der schlagstockschwingende Büttel, der 89 auf das Volk losging, ihnen geistig so nahe steht. Auch Gorbatschow war primär nur an einer Demokratisierung des sozialistischen Staates interessiert; durch den Stein, den er ins Rollen brachte, wurde aber das gesamte System zerschlagen. Was würde passieren, wenn gleich der DDR, wo die Opposition ein weißes Band an der Autoantenne trug, Millionen ihr Auto beklebten mit „Danke Thilo“?

Alexander Nestler, Roda

 

 

Zu: „Die Krise in den Köpfen“ von Thorsten Hinz, JF 37/10

Neunmalkluge Intellektuelle

Das Trommelfeuer dieser abgehobenen politisch-korrekten Belehrungen, die seit Erscheinen des Sarrazin-Buches auf uns niedergingen, weckte in mir Erinnerungen an den Altersstarrsinn einstiger SED-Funktionäre und deren letztes großes Halali, die Feier zum 40. Jahrestag der DDR im Oktober 1989. Die Selbstgewißheit des bundesdeutschen politisch-medialen Establishments scheint ähnlich unerschütterlich. Die Frage sei erlaubt, inwieweit diese neunmalklugen linksliberalen Intellektuellen eigentlich reif für die Demokratie sind. Als die Schweizer den Bau weiterer Minarette verboten oder die Hamburger gegen die sozialistische Einheitsschule stimmten, waren da weder die Einsicht, noch der Gedanke, daß die Bedenken der Gegenseite begründet sein könnten. Das dumme Volk sei eben nur nicht genügend aufgeklärt worden. Diese Leute tun sich sehr schwer damit, andere Meinungen zu respektieren. Sie können alles besser. Sie wissen alles besser. Gerade zwei Jahrzehnte ist es her, als eine kleine Clique mit ähnlicher Geisteshaltung das Volk zum sozialistischen Menschen erziehen wollte.

Stephan Zankl, München

 

Zu: „Sarrazin ist kein Sozialdarwinist“ von Karlheinz Weißmann, JF 37/10

Nur boshafte Unterstellungen

Die herrschende Klasse steht mit dem Rücken zur Wand. Sie hat nichts als boshafte Unterstellungen auf die nüchterne Bestandsaufnahme Sarrazins zu bieten. Leider hat sich auch die FAZ in die Einheitsfront der Wenigen gegen die große Mehrheit eingereiht.

Dr. Hans-Peter Müller, Leipzig

 

 

Zur Meldung: „Österreich gegen AKW-Laufzeitverlängerung“, JF 38/10

Märchen Volksabstimmung

Wieder wird das Märchen von der Volksabstimmung gegen die Atomkraft in Österreich aufgewärmt. Wer die Geschichte erlebt hat (wie ich) weiß, daß es damals nicht um Atomkraft ja oder nein ging. Kreisky hatte sein Verbleiben als Kanzler vom Abstimmungsergebnis abhängig gemacht und zugesagt, bei negativem Ausgang zurückzutreten. Es war daher klar, daß jeder, der das wollte – und das waren zu diesem Zeitpunkt sehr viele – gegen das AKW stimmen mußte, wie ich auch und alle meine Bekannten.

Österreich hat damals also nicht über die Atomkraft abgestimmt! Daß Kreisky sein Versprechen nachher brach und blieb, war zwar vorher zu befürchten gewesen, aber einen Versuch war es wert.

Helmut Rohrböck, Erlangen

 

 

Zu: „Ein Gedenktag, der Aufbruch fordert“ von Manfred Graf von Schwerin, JF 36/10

Mugabes Vorbild Deutschland

Es ist ein großes Verdienst, daß Sie die Behandlung der SBZ-Enteignungen, insbesondere auch der kommunistischen Bodenreform, nach 1990 immer wieder thematisieren, um dem Vergessen entgegenzuwirken. Wer an die Zeit vor 1990 zurückdenkt, der erinnert sich, daß alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Verachtung auf das von der sowjetischen Besatzungsmacht installierte SED-Regime geblickt hatten. Den SBZ-Enteignungsopfern, die vor dem kommunistischen Terror in den Westteil Deutschlands geflohen waren, war bei jeder sich bietenden Gelegenheit vollmundig versprochen worden, daß das ihnen angetane Unrecht nie und nimmer hingenommen, sondern ausgeglichen würde, wenn sich irgendwann einmal die Wiedervereinigung Deutschlands ergeben sollte.

An dieses einmal gegebene Versprechen wollten sich die politisch Handelnden 1990 nicht mehr erinnern. Beschämend für uns alle muß es sein, wenn Diktator Mugabe die Enteignung der weißen Bevölkerung in Simbabwe auch damit rechtfertigt, daß es in Deutschland eine ähnliche Reform gab, welche weder die politischen Verantwortlichen noch das höchste Gericht nach 1990 beanstandeten. Und noch beschämender ist es, daß sich in Deutschland kein politisch Verantwortlicher berufen fühlt, an diesem Zustand etwas zu ändern.

Peter Weinsheimer, Gundelfingen/Baden

 

 

Zu: „Sein Werk dient nicht der Wahrheit!“ von Thorsten Hinz, JF 36/10

Wider die gezielte Auslöschung

Die Wiederherstellung des von einer Clique sogenannter Literatursachverständiger geschändeten dichterischen Rufes von Gerd Gaiser war überfällig. Der Prozeß der Wiedergutmachung an einem – durch gezielte Infamie und Böswilligkeit – aus der deutschen Literatur Verstoßenen hat aber schon vor einigen Jahren eingesetzt. Sie begann 2004 mit der Buchveröffentlichung der Dissertation des Germanisten Bernhard Karl Vögtlin („Gerd Gaiser – Ein Dichter in seiner Zeit“, Tectum-Verlag Marburg). Sie setzte sich fort mit zwei Vorträgen über Gerd Gaiser, die der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger zum 100. Geburtstag von Gerd Gaiser (September 2008) hielt. Diese Vorträge sowie zwei weitere Beiträge über Gaiser sind nachzulesen in den Ende 2009 erschienenen Reutlinger Geschichtsblättern 2008 (Neue Folge Nr. 47).

Mit sachlicher literarischer Kritik hatte „der Fall Gaiser“ in der Tat nichts zu tun. Es handelte sich um eine gezielte Auslöschung. Gaiser war auch unerwünscht, weil er ein konservativer Dichter war und weil er die Wiederholbarkeit geschichtlicher Vorgänge vertrat, womit er gegen das Dogma von der Unvergleichlichkeit und Einmaligkeit der Nazi-Verbrechen verstieß.

Prof. Dr. Hans Pichler, Tübingen

 

 

Zum Leserbrief: „Kommt ein neuer TV-Sender?“ von Franz Bader, JF 34/10

Nichts geschieht zum Nulltarif

Bei der Abwägung aller Grundvoraussetzungen, die für die Gründung einer neuen Rechtspartei zu berücksichtigen sind, komme ich – aufgrund langjähriger eigener Erfahrungen – zu ganz ähnlichen Schlußfolgerungen. Allerdings ist aus meiner Sicht eine andere Schwerpunktsetzung nötig.

Der erste Programmpunkt einer entsprechenden Partei müßte frei sein vom Rechts-Links-Schema. Das Beispiel Hamburg hat gezeigt, wie es funktioniert: Volksbefragung und Volksentscheid! Allerdings müßte diese Forderung sich hierzulande am schweizerischen Vorbild orientieren. Dann ist der Betreffende kein verfassungswidriger Kritiker mehr, sondern der Souverän, der sich um die Verbesserung der Verfassung sorgt. Ein weiterer Vorteil besteht in der parteipolitischen Nutzbarmachung.

Noch eine Bemerkung zu den „rechten“ Wählern: Sie klagen, die Gesellschaft sei schuld an den Problemen. Derart jammern sie genauso wie die Sozialisten. Bitte, liebe Nichtwähler, geht zuerst einmal wählen! Nichts geschieht zum Nulltarif.

Bernd Wendt, Frankfurt am Main

 

 

Zu: „Was man nicht sagen darf“ von Thorsten Hinz,

JF 38/10

Das alles ist lange her, aber es ist die Wahrheit

Endlich hat Frau Steinbach den Mut gefunden, das Präsidium des CDU/CSU-Bundesvorstandes zu verlassen. Sie hat eine Wahrheit ausgesprochen, für die man sie am liebsten herzen würde wie Hohmann, Herman, Sarrazin u.a. Auch ich, als kleines Mädchen von sechs Jahren, wußte bereits, daß die Polen 1939 mobil gemacht haben, da wir unter den Provokationen der Polen damals sehr gelitten haben. In das Haus meines Vaters – Josef Pawlas, der als Abgeordneter der deutschen Minderheit im polnischen Sejm saß – wurden unter anderem in der Nacht Säureflaschen geworfen und Hetzreden gebrüllt wie „Deutsche raus!“ und „Deutsche Schweine!“ Deutsche Schulen wurden verboten, ebenso deutsche Kindergärten und die deutsche Sprache.

Das alles ist lange her, aber es ist die Wahrheit. Herr Westerwelle soll nicht so besorgt tun, daß nun die deutsch-polnische Freundschaft flöten geht. Hierzu sei auf die geschichtlichen Brücken verwiesen, wie etwa in der Rede Philipp Jakob Siebenpfeiffers auf dem Hambacher Schloß 1832. In der gemeinsamen 800jährigen Geschichte hieß es immer: „Wir sind Deutsche, wir sind Polen, aber alle sind wir Oberschlesier!“

Renate Alt, Leipzig

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen