© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Pankraz,
B. Bardot und die Religion im Fastfood

Auch das Essen gerät in den Kampf der Kulturen. In Paris legt „Quick“, die größte Handelskette für Fastfood nach McDonald’s, an vielen Verkaufsstätten kein Schweinefleisch mehr in die Auslagen und Rindfleisch nur noch, wenn es „halal“ hergestellt wurde. „Halal“ ist für die Muslime das, was für orthodoxe Juden „koscher“, also religiös zugelassen ist. „Halal“ geschlachtete Rinder sterben mit dem Kopf in Richtung Mekka und unter dem Segensruf des Schlachters „Im Namen Allahs, Allah ist groß“. Sogenannte Migrantenkreise fordern jetzt lautstark Exklusivität für Halal-Fleisch, und „Quick“ richtet sich danach.

Die Zeitung Le Monde hat darüber eine Diskussion entfacht. „Was soll’s“, sagen die einen, „ob ökologisch patentiertes Biofleisch oder religiös gesegnetes Halalfleisch – das ist doch völlig egal. Hauptsache, es schmeckt und ist gesund.“ Andere erwidern: „Halal zu essen ist nicht einfach Ausdruck einer diätetischen oder ökologischen Entscheidung für bestimmte Nahrungsmittel. Wer halal ißt, gibt vielmehr abendländische Freiheitsstandards preis und ordnet sich in ein System von Dogmen und Gehorsamspflichten ein.“

Auch Pankraz ist prinzipiell dagegen, das Essen mit religiösen Regeln aufzuladen und etwa zwischen „reinen“ Rindern und Tauben einerseits, „unreinen“ Schweinen und Bussarden andererseits zu unterscheiden. Trotzdem gefällt ihm, daß die Halal-Schlachter Allah anrufen, bevor sie zum tödlichen Streich ausholen. Dies ist doch nichts anderes als eine Respektbezeugung vor der natürlichen Würde der lebendigen Kreatur!

Das Leben besteht leider aus einer ewigen Abfolge von Fressen und Gefressenwerden, man muß sich solchem Kreislauf einfügen. Wer dabei aber ein tiefinnerliches Bedauern und ein Gefühl von Schuld empfindet, beweist moralische Qualitäten und Kraft zur Erinnerung. Denn schon die frühesten Exemplare der Gattung Homo sapiens hegten beim Jagen und Schlachten dieses Bedauern und dieses Gefühl der Schuld gegenüber der Mitkreatur und bildeten komplizierte Rituale der Entschuldung aus. Schlechtes Gewissen beim Jagen und Schlachten ist typisch menschlich.

Und das Gewissen kann nicht dadurch entsorgt werden, daß man flächendeckend zum Vegetarismus übergeht, wie das soeben wieder der Schriftsteller Jonathan S. Foer in seinem vielgelesenen Buch „Tiere essen“ nahegelegt hat. Pflanzen sind genau solche Lebewesen wie Tiere und empfinden, wie gerade neueste Forschungen zutage fördern, nicht weniger Schmerz bei Freßangriffen als Tiere, eher mehr. Wenn Pflanzen schreien könnten – die Gras- und Buschweiden sämtlicher Kontinente würden widerhallen von den gellenden Entsetzens- und Schmerzensschreien attackierter Kreatur.

Vegetarier sind keineswegs die besseren Menschen. Und die von Jonathan Foer (und von vielen anderen vor ihm und mit ihm) so schreckensvoll beschriebenen abendländischen, quasi maschinell betriebenen Schlachthäuser, Schlachtviehtransporte und Massentierhaltungen verstoßen weder gegen die Natur noch gegen Gottes Gebot; es sind vielmehr natürliche Folgen der menschlichen Bevölkerungsexplosion. Je mehr anspruchsvolle Fresser es gibt, um so mehr zu Fressende müssen her, und es kann immer nur darum gehen, die Zubereitung der Freßopfer „human“ zu gestalten.

Für uns im „aufgeklärten“ Westen bedeutet humane Zubereitung in erster Linie Schmerzvermeidung für die Opfer, des weiteren ihre Anonymisierung, Entsubjektivierung, Verdinglichung. Aus den „Totems“ der Frühzeit, den bewußt reflektierten Mitgeschöpfen, manchmal sogar Freunden, werden bloße Posten im Marktkalkül, fühllose Objekte, deren durch unzählige Tierfilme bezeugter lebendiger Charme sich auf künftige Filetstücke und Speckseiten reduziert. Das sind zweifellos triste Perspektiven.

Freilich, die „vormoderne“, religiös orientierte Alternative sieht noch finsterer aus. Das Freßopfer verliert zwar nicht seine Identität, es wird („Im Namen Allahs!“) sogar ausdrücklich als Opfer im anspruchsvollsten Sinne anerkannt. Aber der Preis für solche Ehre (die es ja ohnehin nie und nimmer versteht, nicht einmal erahnt) ist ein unerhörter, alles Leid der Welt bündelnder Sterbeprozeß. Das Opfer wird – zumindest bei konsequent orthodoxer Schlachtung à la Halal – „geschächtet“, d.h. man betäubt es nicht einmal, und der tödliche Streich wird so schmerzhaft wie nur irgend möglich durchgeführt.

Jedem Schlachtopfer wird mittels eines speziellen Messers ein einziger Schnitt quer durch die Halsunterseite zugefügt, in dessen Folge die großen Blutgefäße sowie wie Luft- und Speiseröhre durchtrennt werden. Mit dem Schächten soll das möglichst rückstandslose Ausbluten des Tieres gewährleistet werden, denn der Verzehr von Blut ist der Kern jeglichen religiösen Speiseverbots, wie es die Zeiten durchzieht. Das völlige Ausbluten des Opfers indessen dauert seine Zeit, und da es keine vorgängige Betäubung gibt, muß es diese Zeit bis zum bitteren Ende durchleiden.

Man kann schon verstehen, daß einige Autoren in Le Monde mit der neuartigen Privilegierung von Halal-Fleisch an den Pariser Fastfoodständen nicht einverstanden sind. Brigitte Bardot, die große Schauspielerin und Tierfreundin, kämpft schon seit Jahren energisch und unermüdlich gegen die Vermischung von Schlachthof und Moschee an. Bisher wurden ihre Kampagnen von der etablierten Presse stets als Äußerungen einer „erzreaktionären“, in die Machenschaften des „Front National“ verstrickten Hysterikerin abgetan, jetzt merkt man endlich, daß man es sich nicht so leicht machen darf.

Niemand hat den muslimischen Schlächtern bisher ihr Schächten verboten, trotz der Interventionen von Brigitte Bardot. Stattdessen richten sich jetzt westliche Handelsketten beflissen auf die Forderungen ihrer „Kunden mit Migrationshintergrund“ ein. Das ist ein gar nicht so kleiner Skandal. Man erfährt wieder einmal, wer heutzutage frech angreift und wer ängstlich den Schwanz einzieht.

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