© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/10 24. September 2010

Rheinischer Merkur
Das Ende einer Wochenzeitung
Dieter Stein

Seit Wochen wird eine Renaissance des Konservativen diskutiert – und just am Dienstag wurde die Einstellung einer Zeitung verkündet, die eigentlich von dieser Konjunktur profitieren müßte, wenn sie dazu noch etwas substantiell zu sagen hätte. Einen Tag vor der Herbsttagung der Deutschen Bischofskonferenz wurde stattdessen bekannt, daß die von katholischen Bistümern getragene Wochenzeitung Rheinischer Merkur bis Jahresende eingestellt wird. Mit der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit sei eine Kooperation vereinbart. Die Abonnenten sollen übernommen und mit einem zusätzlichen redaktionellen Angebot bedient werden.

Der Rheinische Merkur machte seit Jahren Verluste. Es ist nicht verborgen geblieben, daß mittels Scheingeschäften die verkaufte Auflage auf einer Höhe gehalten wurde, deren offizielle Zahl dem achten Gebot widerspricht. Der Spiegel meldete jetzt, daß zum Schluß nur mehr 12.900 Leser das Bonner Blatt im Abo gehalten hatten. Ein atemberaubender Abstieg – hatte das 1946 in Koblenz gegründete und später nach Bonn verlegte Blatt doch einst eine Auflage von 220.000 Exemplaren zählen können.

Indessen ist der Niedergang des Blattes in seiner inhaltlichen Entkernung zu suchen: Konservative Publizisten, die noch vor einiger Zeit für ein entsprechendes Profil standen, wurden aus dem Blatt gemobbt oder gingen entnervt von Bord: Ein Menetekel war bereits vor 16 Jahren das eiskalte Abservieren von Günter Zehm und seiner legendären „Pankraz“-Kolumne, die ein Markstein des alten Rheinischen Merkur gewesen war. Chefredakteur Thomas Kielinger ließ 1994 eine Pankraz-Kolumne komplett zensieren. Anstelle des Textes erschien der unverfrorene Hinweis „Pankraz ist in dieser Woche verreist“. Zehm verließ das Blatt und veröffentlichte seine Kolumne fortan in der JUNGEN FREIHEIT. Seine Leser folgten ihm.

Als Herausgeber schieden die konservativen Köpfe Christa Meves (2006) und Steffen Heitmann (2010) aus. Dieser Aderlaß spiegelte die Auflagenentwicklung. Noch dazu versuchte das Blatt, auf Kosten konservativer Bischöfe auf der Linken billig Pluspunkte zu sammeln. Es gibt hier einen erkennbaren inneren Zusammenhang beim Verfall dieses einst traditionsreichen Blattes und der wachsenden Orientierungslosigkeit der deutschen katholischen Kirche auf der einen und der Christdemokratie auf der anderen Seite. Gläubige, Wähler und Leser wenden sich in Scharen von diesem liberalen Kurs ab. Die Übernahme einer einst christlich-konservativen Zeitung ausgerechnet durch die Zeit, die aus ihrer Kirchenfeindlichkeit nie einen Hehl gemacht hat, ist deshalb eigentlich kein Skandal, sondern letztlich nur konsequent: Hier wächst zusammen, was zusammengehört.

Nun kann sich die publizistische Landschaft neu sortieren. Wir betrauern den Untergang eines traditionsreichen Titels, begrüßen jedoch den Abschied von einer Illusion, im Rheinischen Merkur habe noch so etwas wie eine ernsthafte konservative Stimme von Gewicht existiert. Sie war schon vor Jahren verstummt. Wir sind bereit, einen guten Teil dieser Tradition der Wochenpublizistik fortzusetzen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen