© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

Von nichts kommt nichts
Vom Ursprung des Universums: Stephen Hawking bekommt es mit den Logikern zu tun
Robert Backhaus

Stephen Hawking (68), der berühmte, schwerstbehinderte britische Physiker im Rollstuhl, hat ein neues Buch geschrieben, das soeben auch auf deutsch bei Rowohlt erschienen ist: „Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums“. Hawking ist eine eindrucksvolle, allseits respektierte Wissenschaftlergestalt. Man hört auf ihn, läßt sich gern von ihm belehren. Aber gerade solche Großkaliber müssen sich natürlich an die Regeln der Logik halten, sonst gibt es Irritationen, und nicht nur der Laie wundert sich.

An sich sind die Thesen des neuen Buches nicht neu, Hawking hat sie schon in früheren Publikationen zur Debatte gestellt. Es geht ihm um die Frage aller Fragen: um den Ursprung des Universums, also der materiell-sinnlichen, mathematisch-physikalisch berechenbaren Welt. „Diese Welt“, belehrt uns der Physiker diesmal, „ist zwar nicht ewig (siehe die in sich stimmige  Urknalltheorie), doch sie wurde auch nicht von irgendeinem Schöpfer erschaffen. Sondern sie hat sich selbst erschaffen!“ Die Welt hat sich selbst erschaffen, das ist des Pudels Kern, Punktum.

Punktum heißt freilich nicht Ende der Diskussion, ganz im Gegenteil. Gegen Hawking argumentieren nun nicht nur mehr die Kreationisten und andere Urknallfans, sondern auch die schlichten Logiker, und zwar gleich kompanieweise. Eine Sache ist entweder da, oder sie ist nicht da, sagen sie. Entweder die materielle Welt war immer schon da, oder sie war nicht immer da, sie hatte eine Ursache. Und diese Ursache kann sie dann nicht selbst gewesen sein, denn von nichts kommt bekanntlich nichts. Wer das nicht wahrhaben will, kann nicht ernst genommen werden.

Das wußten übrigens auch schon die frühen Materialisten im Mittelalter, zum Beispiel Siger von Brabant, der um 1270 ein Buch gegen den großen Spiritualisten Thomas von Aquin schrieb. Sein Titel: De aeternitate mundi (Von der Ewigkeit der Welt). Entweder Ewigkeit der Materie oder spiritueller Schöpfer, ein Drittes gibt es nicht, notierte Siger. Sein Buch wurde offiziell zur Ketzerei erklärt und anschließend auf dem Hof der Pariser Universität verbrannt.

Heute werden im Abendland glücklicherweise keine wissenschaftlichen Bücher mehr verbrannt. Es kann allerdings vorkommen, daß sich Bücher selbst verbrennen.

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