© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

WIRTSCHAFT
Die Grenzen bröckeln
Jens Jessen

Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes verursacht Proteste wegen der Entlastung der Privaten Krankenversicherung (PKV). Die soll nach dem Willen von Gesundheitsminister Philipp Rösler für Arzneimittel genausoviel bezahlen wie die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV). DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach hält das für „völlig inakzeptabel“. Die PKV müsse endlich einen Solidarbeitrag zur GKV leisten. Doch Ärzte erhalten schon jetzt für ihre Leistungen an die Privatversicherten ein Honorar, das etwa doppelt so hoch ist wie bei GKV-Mitgliedern. Die Vergütungsdifferenz beläuft sich auf 3,6 Milliarden Euro im Jahr. Sie finanziert die Arztpraxen über den Durchschnitt. Dazu kommt der von allen – auch den Privatversicherten – erbrachte Steuerzuschuß für die GKV. 2009 waren es 7,2 Milliarden Euro und 2010 15,7 Milliarden Euro.

Die Klage eines PKV-Versicherten vor dem Bundesverfassungsgericht, der die Verfassungskonformität der Zahlung an die GKV anzweifelte, wurde negativ beschieden. Karlsruhe hat den Bundeszuschuß aus Steuermitteln zur Stabilisierung der GKV-Finanzen für verfassungskonform erklärt, da Bürger durch ihre Grundrechte keine Ansprüche auf einen bestimmten Verwendungszweck öffentlicher Mittel herleiten können. Da die GKV-Kassen den Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts am 1. Januar 2009 verloren und die Rechtsformen GmbH oder AG annehmen können, wäre ein Gewinnstreben nicht unmöglich. Die Hälfte der PKV-Unternehmen hat sich als gemeinnützige GmbH oder Verein nicht gewinnorientiert organisiert. Die Grenzen zur PKV bröckeln. Bald wird vielleicht ein Traum war: Der Wettbewerb aller Kassen wird sich nur noch auf die Versorgungsqualität und den Service erstrecken.

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