© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

Moderner Kreuzzug gegen den Islam
USA: Der Jahrestag des 11. September 2001 entwickelt sich zu einem internationalen Kampftag gegen muslimische Ansprüche im Westen
Michael Wiesberg

Ob der evangelikale US-Prediger Terry Jones die Ausführungen Samuel Huntingtons zum „Kampf der Kulturen“ gelesen und verstanden hat, ist nicht bekannt. Dessen ungeachtet steht der umstrittene Selbstdarsteller, der am 11. September nun doch auf die von ihm groß angekündigte Koran-Verbrennung verzichtet hat, als besonders krasses Symbol für genau das: eine sich allmählich verschärfende Auseinandersetzung zwischen den großen Weltkulturen, insbesondere aber zwischen dem westlichen und dem islamischen Kulturkreis – und zwar sowohl in Europa als auch in den USA.

Jones hat instinktsicher begriffen, in welcher Rolle er sich ohne großen finanziellen Aufwand in den Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit rücken kann, nämlich in der eines eifernden Islamgegners, der sich gleichzeitig zum Sprachrohr zunehmender Überfremdungsfurcht in der westlichen Welt macht. Reverend Jones ist der Überzeugung, daß der Islam des Teufels ist – so der Titel seines Pamphlets „Islam is of the Devil“ – und inszeniert sich dabei selbst als islamophober Savonarola. Seit einigen Wochen sind Jones und seine winzige Gemeinde im Dove World Outreach Center in der Universitätsstadt Gainesville/Florida der Welt ein Begriff.

Sein Rückzug von dem Vorhaben der Koranverbrennung erklärte Jones gegenüber dem US-Fernsehsender NBC so: Ziel sei es gewesen, „aufzudecken, daß es ein sehr gefährliches und sehr radikales Element des Islam gibt“. Diese Mission sei erfüllt worden. Tatsächlich waren wohl andere Faktoren für seine Kursänderung ausschlaggebend. Es paßt eben nicht allzugut zum US-Patriotismus, wenn man das Leben von US-Soldaten (die in muslimischen Ländern kämpfen bzw. stationiert sind) aufs Spiel setzt. Natürlich konnte ein „Auserwählter“ wie Jones diesen Grund nicht öffentlich machen, und so erzählte er, daß man ihm – wem auch sonst? – angeboten habe, das islamische Gemeindezentrum, das in der Nähe von Ground Zero gebaut werden soll, woanders zu errichten. Leider spielte der New Yorker Imam Feisal Abdul Rauf nicht mit, der erklärte, von all dem nichts zu wissen. Jones wand sich daraufhin vor den Medien wie ein Aal und kündigte an, daß die Koranverbrennung vorläufig nur „ausgesetzt“, aber „nicht abgesagt“ sei.

Wilders traf in New York den Nerv der Moschee-Gegner

Jones ist im übrigen auch in Köln kein Unbekannter, wo er bis 2009 eine charismatisch-evangelikale Gemeinde führte. Materiellem, vor allem aber Geld sollen er und seine Ehefrau trotz aller „Auserwähltheit“ keineswegs abgeneigt gewesen sein. Seine Gemeindeführung war ein „Klima aus Angst und Kontrolle“ gewesen, berichtete ein Gemeindemitglied, das anonym bleiben wollte, gegenüber deutschen Medien. Eine Einschätzung, die vom Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche im Rheinland, Andrew Schäfer, unterstrichen wird, der Jones als „Fundamentalisten“ bezeichnete, der zunächst den Kampf gegen die Homosexualität auf seine Fahnen geschrieben hatte, ehe er sich dem Islam zuwandte. „Terry Jones habe ein Talent dafür, „gesellschaftlich relevante Themen zu finden und sie für seine Sache einzuspannen“. Ab 2007 kam es in der Kölner Gemeinde wegen Jones zu vermehrten Spannungen, die schließlich zu seinem Ausschluß führten.

Parallel zur Auseinandersetzung um Jones, in die sich sogar US-Präsident Barack Obama und der Oberbefehlshaber der Nato-Truppe in Afghanistan, General David Petraeus, einschalteten, als sie vor den Folgen einer derartigen Bücherverbrennung für die US-Soldaten im Irak und in Afghanistan warnten, läuft in den USA eine heftige Auseinandersetzung um den Bau einer Moschee in unmittelbarer Nähe von „Ground Zero“, wo bis zum Terroranschlag von 2001 das World Trade Center stand. Zum Jahrestag am 11. September kam es hier zu einem Aufmarsch von etwa 2.000 Gegnern des geplanten Moschee-Zentrums (JF 35/10), an der sich auch der niederländische Islamgegner Geert Wilders beteiligte. „Wir müssen hier die Linie ziehen“, erklärte der Chef der Freiheitspartei (PVV). „Denen, die uns unterwerfen wollen, dürfen wir nie die Gelegenheit dazu geben.“ Es müsse verhindert werden, daß New York ein „neues Mekka“ werde. Wilders betonte, daß „eine tolerante Gesellschaft keine Selbstmord-Gesellschaft sein“ dürfe, sondern sich gegen die „Mächte der Finsternis“ verteidigen müsse. Wilders Rede wurde laut Radio Niederlande immer wieder von Jubel und Applaus unterbrochen. Allerdings sammelten sich auch etwa 1.500 Befürworter, die für das muslimische Zentrum demonstrierten.

Vor dem Weißen Haus in Washington fanden sich dann – unabhängig von Jones und Wilders – noch einige Christen zusammen, die demonstrativ Koranseiten zerrissen. Einer erklärte vor Medienvertretern zu den Gründen: „Die Lüge, daß der Islam eine friedliche Religion ist, muß aufhören.“ Gewisse Aussagen von Imam Feisal Abdul Rauf dürften diese Aktivisten bestätigt haben: Rauf warnte gegenüber dem US-Sender CNN vor dem Stopp des geplanten Moscheebaus, weil dies als Niederlage des Islam begriffen würde und eine erhöhte Bedrohungslage für US-Bürger in aller Welt zur Folge hätte.

Obama haben diese Auseinandersetzungen offenbar nicht unbeeindruckt gelassen. Bei einer Veranstaltung im Pentagon zum 11. September hat er eindringlich zur Toleranz aufgerufen und an die Nation appelliert, die amerikanischen Werte und Ideale lebendig zu halten. Ob die zerrissenen Koranseiten ähnliche Ausschreitungen wie 2006 die dänischen Mohammed-Karikaturen verursachen, bleibt abzuwarten.

Foto: Wilders in New York: „Denen, die uns unterwerfen wollen, dürfen wir nie die Gelegenheit dazu geben“

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