© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/10 17. September 2010

Lamya Kaddor. Eine Generation junger Musliminen greift nach Amt und Einfluß
Generation Kaddor
Michael Paulwitz

Beim großen Sarrazin-Dreschen in den Plapperrunden und Feuilletons sprossen sie plötzlich hervor wie Pilze nach dem Regen: Junge, fließend deutsch sprechende, adrette muslimische Akademikerinnen, die dem alten Mann von der Bundesbank quasi als lebendige Widerlegung seiner Thesen ihr „Ich-und-meine-Eltern-fühlen-uns-von-Ihnen-beleidigt“ entgegenhalten sollten. Vorne mit dabei: Lamya Kaddor, 32jährige Islamkundlerin syrischer Abstammung aus Westfalen (www.lamya-kaddor.de), deren Medienauftrittsliste den Katalog ihrer wissenschaftlichen Publikationen locker um Längen schlägt.

Lamya Kaddor kennt die Spielregeln. Die kriselnde Integrationsindustrie braucht dringend einen Islam mit freundlichem, harmlosem, multikulti-kompatiblem Antlitz – Frau Kaddor kann liefern: Ein Lehrbuch ohne Ecken und Kanten für den islamischen Religionsunterricht, den sie im Rahmen eines NRW-Schulversuchs auch selbst erteilt; einen illustrierten Soft-Koran „für Kinder und Erwachsene“ ohne Scharia und böse Verse über das Verprügeln von Ehefrauen und das Abschlachten von Ungläubigen; und ein Selbsterfahrungsbuch über ihre Version eines „zeitgemäßen Islam“ – Bundestagspräsident Norbert Lammert war davon begeistert.

Dazu ellenlange Wohlfühlinterviews in den linksliberalen Leitmedien. Kopftuch? Muß nicht sein, brauch ich nicht, aber wer’s tragen will ... Und Ramadan ist doch ein tolles Fest, auf das sich Jung und Alt immer riesig freuen. Solch allverstehendes Laissez-faire ist Balsam für vom Zusammenprall der Kulturen verwirrte liberale Seelen.

Daß es mit der wissenschaftlichen Karriere nicht ganz so rund lief, ist bei soviel Medienaufmerksamkeit nur ein Schönheitsfehler. Von der Münsteraner Islamkunde-Kaderschmiede und ihrem Leiter Sven „Muhammad“ Kalisch (JF 19/09) ging Kaddor im Unfrieden, seit zwei Jahren prozessiert man wegen des Vorwurfs veruntreuter Konferenzgelder. Aber darüber berichten ja nur die Lokalzeitungen.

Lamya Kaddor, die zu ihrem Verdruß nicht in der zweiten „Islamkonferenz“ sitzt, will sowieso höher hinaus: Mit ihrem erst im Mai gegründeten „Liberal-Islamischen Bund“ (www.lib-ev.de) beansprucht sie, die gut getarnte „liberale Mehrheit“ der Muslime zu vertreten. Verbindlicher als graubärtige Zentralräte fordert sie den „Dialog auf Augenhöhe“ und bringt dieselben Botschaften an den Mann: Der dänische Mohammed-Karikaturist Westergaard ist irgendwie selbst schuld, weil er gar nichts zur „Islamfeindlichkeit“ sagt, und die „sogenannten Islamkritiker“, allen voran ihre Lieblingsfeindin Necla Kelek, seien doch bloß verbohrte Fanatiker.

Kaddors Geschäftsmodell als Stimme islamischer Aufklärung läuft: Im ZDF-„Forum am Freitag“ spricht sie das „muslimische Wort“, der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann hat sie als „Beraterin“ engagiert. Der Marsch der „Generation Kaddor“ durch die Institutionen der bunten Republik hat gerade erst begonnen.

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