© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

„Eine Umma, ein Staat! – Was wollen wir? Das Kalifat!“
Der Orientalist Rainer Glagow prognostiziert in seinem kurz vor seinem Tode veröffentlichten Werk eine Islamisierung Deutschlands
Fabian Schmidt-Ahmad

Es ist kaum zu leugnen und augenfällig, daß der allmähliche und scheinbar unaufhaltsame Vormarsch des Islam durch sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens in Deutschland zur langfristig alles beherrschenden Macht einhergeht mit einem gleichzeitigen Niedergang der heimischen Kultur. Ein erodierendes Wertefundament hat nicht zuletzt auch in den Wissenschaften dafür gesorgt, daß das unbedingte Streben nach Erkenntnis zunehmend einer redundanten Ideologisierung gewichen ist: Vorgaben der politischen Korrektheit werden zu Glaubensartikeln, in deren bloßer Ausschmückung manche deutsche Wissenschaftler heute ihre Kernaufgabe sehen.

In kaum einem anderen Fach wird diese intellektuelle Verödung so deutlich, wie in demjenigen Bereich der Geisteswissenschaften, der eigentlich am meisten dazu berufen sein sollte, den Islam nüchtern und unvoreingenommen zu betrachten: „Ich kann unter den jüngeren Islamwissenschaftlern guten Gewissens keinen nennen, der wissenschaftlich herausragt“, bekannte der Orientalist Rainer Glagow in einem Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT (21/03): „Man liest fast immer die gleichen Formeln und findet immer wieder die gleichen Denkschemata.“ Ein ernsthaftes Quellenstudium scheitere oft schon an Sprachkenntnissen. „Stattdessen hat mancher moderne Islamwissenschaftler gelernt, die Gebote der politischen Korrektheit zu befolgen.“

Wie kraß dieser Unterschied zur unvoreingenommenen Anschauung des Islam ausfallen muß, wird auch durch den langjährigen Mitarbeiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung selbst ersichtlich, der unter anderem als Dozent der Universität in Kairo viele Jahre im islamischen Ausland verbrachte. Denn nicht trotz, sondern wegen seiner Fachkompetenz warnte Glagow zunehmend vor Verharmlosung oder gänzlichem Verschweigen der Islamisierung Deutschlands. Als Gründungsmitglied des Vereins „Pax Europa“ – inzwischen übergegangen in die Bürgervereinigung Pax Europa (BPE) –, der sich einer breiten Aufklärung über den Islam in der Öffentlichkeit verschrieben hat, trat er als sachkundiger Gesprächspartner in Erscheinung.

„Allahs Weltordnung“ ist nun gewissermaßen als Vermächtnis Glagows zu lesen, der am 26. Juli 2010 im Alter von 68 Jahren verstarb. Es ist gleichzeitig wohl sein persönlichstes Buch geworden. Denn wo sonst der ruhige Gelehrte im besten Sinne des Wortes spricht, redet nun ein Mensch, der die drohende Zukunft seines Landes als Vision niederschreiben muß. „In der Nacht suchte mich ein schlimmer Alptraum heim“, beschreibt Glagow seinen Eindruck, als im Januar 2009 Israels Intervention im Gaza-Konflikt von einem muslimischen Mob zum Anlaß genommen wurde, zum ersten Mal seine Macht über Deutschlands Straßen zu demonstrieren: „Eine Umma, ein Staat! – Was wollen wir? Das Kalifat!“

Eine erschütternde Vision vom Deutschland des Jahres 2071 wird in der Einleitung gezeichnet, die noch von dem Wissen verstärkt wird, daß hier kein Traumtänzer, sondern ein kühler Analytiker schreibt. Im anschließenden Hauptteil des Buches werden „die Grundlagen des politischen Islam“ behandelt. Nicht über die „spirituellen Glaubensüberzeugungen der Muslime“ will Glagow sprechen. „Vielmehr geht es um den Islam in seiner Ausprägung als politische Religion. Leider öffnet der eminent politische Charakter dieser Religion einen direkten Weg zu totalitärer Ideologie und Gewaltanwendung.“

Hier kann ganz der Orientalist brillieren – Glagows persönliche Vorliebe für den schiitischen Islam wird vielfach deutlich –, der auf dichtem Raum die Geschichte des Islam nach dessen eigenem Selbstverständnis entwickelt. Das Buch verzichtet auf allzu fachwissenschaftliche Termini, weshalb es sich als thematische Einführung eignet. Einen wichtigen Hinweis gibt er mit dem Begriff des „Ressentiments“, welcher wesentlich dabei hilft, das Denken von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis, namentlich als Einwanderer in Deutschland, zu fassen und psychologisch sinnvoll zu deuten.

Rasch wird die enorme Bedeutung des islamischen Geschichtsverständnisses ersichtlich. Deutlich wird dies beispielsweise an Glagows Beschreibung der Muslimbruderschaft, die er in die Traditionslinie orthodoxer Reformbewegungen setzt. Wie sehr einem dagegen das eigene Bewußtsein für die Geschichte alleine der letzten zwei, drei Jahrzehnte abhanden gekommen ist, wird an dem Umbau Deutschlands als Einwanderungsland merklich, wie sie Glagow wiedergibt. Was damals SPD-Genossen noch als Selbstverständlichkeiten äußerten – freilich ohne Taten folgen zu lassen –, bedeutet heute für das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin das Karriereende.

Ein überaus wichtiges Buch, das allerdings eine gewisse Verantwortung mit sich bringt. Denn niemand wird nach der Lektüre Glagows Schlußfolgerung widersprechen können: „Leider haben die Muslime in einer Sache recht: Die deutsche Gesellschaft, so wie sie wurde und wie sie heute sein will, kann für die muslimischen Einwanderer keine Anziehungskraft besitzen, zutiefst gläubigen Menschen keine Werte bieten und der islamischen Leitkultur mit keinem eigenen Geist begegnen.“ Diesen Geist aufzusuchen ist daher der einzige Ausweg aus dem real werdenden Alptraum.

Rainer Glagow: Allahs Weltordnung. Der politische Islam als Herausforderung für Demokratie und Gesellschaft. Holzheu Verlag, Mering 2010, broschiert, 224 Seiten, 14,80 Euro

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