© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/10 10. September 2010

„Schreiendes Unrecht“
„Marsch für das Leben“: Trotz drohender Übergriffe durch Linksextremisten wollen am Wochenende in Berlin Lebensschützer gegen Abtreibungen demonstrieren
Lion Edler

Kann es ein besseres Indiz für die Berechtigung einer Demonstration geben, als daß Linksextremisten gegen sie auf den Plan treten, und niemanden empört es? Die Veranstalter des „Marschs für das Leben“ würden auf dieses ungebetene Kompliment wohl gerne verzichten. Am 18. September will der Bundesverband Lebensrecht (BVL) den linken Anfeindungen trotzen und in Berlin-Mitte ein vernehmbares Zeichen gegen Abtreibungen setzen.

„Ja zum Leben – für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie“, heißt es in drastischen Worten auf einem Plakat der Veranstalter. Die Organisation fordert „bessere Hilfen für Schwangere und Familien in Not“ und ein Ende des „schreienden Unrechts der Abtreibung“ sowie des „erneuten Aufkommens der Euthanasie“. Dabei versteht der Verband die Demonstration als Schweigemarsch, der ausdrücklich auch an die Frauen, Männer und Familien erinnern soll, die unter der Entscheidung zu einer Abtreibung teilweise lebenslang leiden. Im Zentrum steht dennoch natürlich das abgetriebene Kind – Holzkreuze, eines pro Demonstrant, sollen symbolisch bei dem Schweigemarsch an die getöteten Ungeborenen erinnern. Die Verantwortung für diese Entscheidung, das machen die Veranstalter deutlich, liege nicht alleine bei den Frauen.

Der Bundesverband Lebensrecht, dessen rund 30.000 Mitglieder und Unterstützer in zwölf Lebensschutz-Verbänden organisiert sind, muß sich bei der Demonstration auf das Schlimmste gefaßt machen. Im vergangenen Jahr war es zu intensiven Störungen der Versammlung durch Linksextremisten gekommen, die versuchten, den Demonstrationsweg zu blockieren,

Holzkreuze von Demonstranten entwendeten oder mit Gebrüll den Schweigemarsch störten (JF 41/09). „Abtreiben gegen Deutschland“, „Christen fisten“ oder „Hätt’ Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“ – das waren die Parolen der Gegendemonstranten. Nur der Polizeischutz gewährleistete wohl, daß es nicht zu tätlichen Angriffen kam. Die Veranstalter sind entsetzt: „Es ist bedrückend, daß manche offenbar nicht wissen, wie heilig das Leben ist und wie sehr dessen Unantastbarkeit als Grundlage für eine humane Gesellschaft unverzichtbar ist. Wer dagegen wütend aufschreit, wehrt sich gegen das Leben“, empört sich der BVL-Vorsitzende Martin Lohmann.

Um so erschreckender, daß sich auch in diesem Jahr als seriös geltende Organisationen an dem Aufruf gegen den „Marsch für das Leben“ beteiligen. Neben offen linksextremistischen Gruppierungen wie der Autonomen Neuköllner Antifa oder der Antifa Prenzlauer Berg haben den Aufruf auch die Berliner Landesverbände der Schwangerenberatungsstelle „Pro Familia“ und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands unterzeichnet. Dabei läßt der Titel des Aufrufs keinen Interpretationsspielraum: „1.000 Kreuze in die Spree“ – eine Anspielung auf den früheren Titel des Schweigemarschs „1.000 Kreuze für das Leben“, und eine Drohung, die man bereits in der Vergangenheit wahrgemacht hatte, als zahlreiche Holzkreuze von Gegendemonstranten in die Spree geschmissen wurden. Der Aufruf selbst läßt zudem keinen Zweifel aufkommen, daß der Charakter der abtreibungskritischen Demonstration als „Schweigemarsch“ nicht toleriert werden soll: Man rufe dazu auf, dem „Marsch für das Leben“ in einer Woche „laut und mit vielfältigen Aktionen entgegenzutreten“. All das ist für die Berliner Landesverbände von „Pro Familia“ und der Paritätischen Wohlfahrtspflege Berlin kein Grund, sich von dem Aufruf zu distanzieren. Besonders bedenklich: Pro Familia wird ausgerechnet durch öffentliche Mittel auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene finanziert.

Treffpunkt für den „Marsch für das Leben“ ist am Sonnabend um 13 Uhr der Neptunbrunnen  zwischen Marienkirche und Rotem Rathaus in Berlin-Mitte. Weitere Informationen im Internet unter www.marsch-fuer-das-leben.de

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