© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Vertrauen
Karl Heinzen

Eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte ist das Ziel einer Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, auf die sich die schwarz-gelbe Koalition verständigt hat. Sie reagiert damit auf Medienberichte der jüngsten Zeit, durch die umstrittene Praktiken der Mitarbeiterausspähung beim Discounter Lidl, der Bahn sowie der Deutschen Telekom aufgedeckt worden waren.

In Zukunft sollen Arbeitgeber eine Videoüberwachung nur noch betreiben dürfen, wenn die Belegschaft darüber informiert ist und damit ein gesetzlich zugelassener Zweck wie etwa die Qualitätskontrolle oder die Absicherung von Eingängen verfolgt wird. Nehmen Unternehmen eine Recherche zu Beschäftigten vor, so müssen sie sich im Internet auf sogenannte „offene Quellen“ beschränken. Nachforschungen in sozialen Netzwerken sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung nicht mehr erlaubt sein.

Eine Kompensierung der den Arbeitgebern durch die Rechtsänderung aufgebürdeten Kosten und Risiken ist nicht vorgesehen. Diese fallen jedoch durchaus ins Gewicht. Den Unternehmen wird die Möglichkeit genommen, durch eine akribische Kontrolle Fällen von Untreue, Diebstahl, Illoyalität, Imageschädigung und Bummelei zu begegnen, so daß diese drastisch zunehmen dürften. Letztlich bleibt den Arbeitgebern nichts anderes mehr übrig, als ihren Beschäftigten blindes Vertrauen entgegenzubringen. Ein solches ist aber angesichts in der Arbeitnehmerschaft weitverbreiteter Klagen über wachsenden Leistungsdruck und Unterbezahlung nicht mehr zu rechtfertigen.

Es ist daher nachzuvollziehen, daß die Gesetzesinitiative der Bundesregierung als realitätsfremd und wachstumshemmend kritisiert wird. Zudem kommt durch sie ein bedenklicher Fundamentalismus zum Ausdruck, der eigentlich allein durch die öffentliche Hand zu respektierende Bürgerrechte der privaten Wirtschaft oktroyiert, obgleich sie in ihr deplaciert sind. Unter dem Deckmantel einer Verteidigung der Individualrechte wird de facto der Staatsdirigismus weiter ausgebaut.

Läge der Bundesregierung tatsächlich der Wohlstand unseres Landes am Herzen, müßte ihre Initiative genau in die entgegengesetzte Richtung zielen: Die Unternehmen müssen endlich in die Lage versetzt werden, sich der Vertragstreue ihrer Arbeitnehmer lückenlos zu vergewissern. Kommen diese ihr nach, haben sie nichts zu befürchten.

Im Gegenteil: Videoaufnahmen sowie aufgezeichnete Telefonate und Computeraktivitäten liefern dann den Nachweis, mit welchem Engagement sie sich für die Interessen ihres Arbeitgebers einsetzen.

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