© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

CD: Neofolk
Gottsuche
Dominik Tischleder

Backworld, das Projekt des deutschstämmigen Amerikaners Joseph Budenholzer, gehört zu jenen Formationen, die in den vergangenen Jahren zunehmend versuchten, ihre alte Neofolk-Haut abzustreifen und sich mit einem seichteren Klangbild einen neuen Hörerkreis zu erschließen.

Dies gelang allerdings, trotz Zusammenarbeit mit der ungleich bekannteren Isobel Campbell von der schottischen Kombo Belle & Sebastian, nur recht mäßig. Teilweise erinnerte man nun an Dire Straits, manchmal auch an R.E.M., ohne jedoch deren jeweilige Klasse zu erreichen. Da auch ein kommerzieller Erfolg weitgehend ausblieb, ist jetzt zu erwarten, daß sich Backworld auf ihren zukünftigen Alben auf alte Stärken besinnen werden; entsprechende Gerüchte kursieren bereits.

Bevor es soweit ist, hat man seit kurzer Zeit wieder die Gelegenheit, den beiden wiederveröffentlichten ersten und auch besten Backworld-Alben zu lauschen, die lange nicht erhältlich waren: „Holy Fire“ (1996) und „Isles Of The Blest“ (1998).

Vor der Gründung von Backworld schrieb Budenholzer hauptsächlich Musik für Untergrundfilme der New Yorker Kunstszene, so auch für die düsteren, teils pornographischen Filme von Richard Kern, der später als Aktfotograf sehr bekannt wurde. Dieser Hintergrund ist auf „Holy Fire“ noch deutlich zu spüren: Obgleich hier schon überwiegend mit folkloristischen Mitteln (Klarinette, Geige) musiziert wurde, ist es ein sehr nächtlich-urbanes Album.

Kennzeichnend für den Backworld-Kosmos war von Anbeginn ein eigentümlich scheues Umschleichen christlicher, vorwiegend katholischer Lehren. Auf dem Debüt übte sich Budenholzer noch in der Pose des satanisch-heidnischen Anklägers, die Ästhetik weist aber schon deutlich darüber hinaus, allzumal Budenholzers unaufdringlich tiefer und introspektiv wirkender Gesang über das gesamte Album seltsam belegt klingt und nicht so recht zum vordergründigen „Non Serviam“ passen will. Dieses Oszillieren zwischen aufbäumender Gottsuche einerseits und depressiver Mattheit andererseits ist wohlgemerkt ein besonderer Reiz des Albums, speziell zu erhören auf dem adventistischen „Come With Joy“, einem der größten Neofolk-Hits überhaupt.

„Isles Of The Blest“ war dann demgegenüber das deutlich lichtere und auch melodiösere Album, wie schon an dem frühlingshaft grünen Cover, einem Gemälde von Hildegard von Bingen, deutlich wird. Auch musikalisch war es das erste Backworld-Album, welches eine richtige europäisch-englische Folk-Aura ausstrahlte. Zu hören sind voluminöse, gleichsam fragil und intim wirkende Streicherarrangements, dazu gesellen sich Klarinette, Geige, Cello und Flöte. „Isle Of The Blest“ ist im klassischen Sinne ein schönes und durchaus konservatives Album. Budenholzers späterer Ruf, ein Händchen für Ohrwurm-Melodien zu haben, gründet vor allem auf einigen hier zu hörenden Liedern, allen voran „Leaving The Isles Of The Blest“, ein abermals Glaubenszweifel und Annäherung thematisierendes Stück. Weiterhin finden sich hier Vertonungen Arthur Rimbauds und der Mechthild von Magdeburg.

Die beiden Alben bieten Neueinsteigern eine gute Gelegenheit, auch in Zeiten des Post-Neofolks eine der interessantesten Formationen des Genres wieder- beziehungsweise neu zu entdecken.

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