© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Zeitschriftenkritik: Der Semit
Bauchtanz für den Frieden
Werner Olles

Die sechsmal jährlich im DIN-A-5-Format und mit einem Umfang von 75 Seiten im erscheinende Zeitschrift Der Semit versteht sich als „Diskussionsforum für Menschen mit eigener Meinung“. Primär geht es Verleger und Chefredakteur Abraham Melzer und seinen Mitarbeitern um eine Distanzierung „von der Politik Israels und ihren starrsinnigen Vertretern“. Daran läßt er im Editorial der aktuellen Ausgabe 03/2010 keinen Zweifel, wenn er schreibt: „Die amerikanischen und europäischen Juden tun endlich das, was wir in Der Semit schon seit zwanzig Jahren tun: Sie fordern Israel auf, eine gemäßigte, vernünftige und rationale Politik zu machen, um sein Überleben zu garantieren. Nur ein echter und fairer Frieden kann Israels Sicherheit garantieren. Schön, daß eine so große Anzahl jüdischer Menschen in der Welt inzwischen auch so denkt. Vor zwanzig Jahren war ich fast alleine.“

In der Tat spaltet sich die jüdische Welt in dieser Frage. Die Kluft zwischen jenen, die für eine sofortige Änderung der israelischen Politik eintreten, und den Befürwortern einer eher härteren Gangart gegenüber der Hamas-Regierung im Gaza-Streifen wird immer tiefer. Doch ist dies im Grunde ein Konflikt zwischen linken Pazifisten und liberalen Intellektuellen, die gegen die israelische Politik in den besetzten Gebieten und die Militär-Operation „Gegossenes Blei“ protestieren, und „rechten Zionisten“ mit ihrer „aggressiven Expansions- und Besatzungsideologie“ (Melzer), die – folgt man dem Autor – die „Arroganz, Selbstgerechtigkeit und Dummheit Israels“ verkörpern. Das ist ziemlich starker Tobak, zumal Melzer in diesem Kontext sogar den auf den israelischen Wissenschaftler und Philosophen Yeshayahu Leibowitz zurückgehenden Terminus „Judeo-Nazis“ verwendet. Einen solchen vermutet er auch in dem „zionistischen Haßprediger“ und „journalistischen Beißterrier“ Henryk M. Broder.

Aus der gleichen Feder stammt auch ein Porträt des Generalsekretärs des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, den Melzer in seinem Beitrag mit dem Titel „Ein jüdischer Rasenmäher“ folgendermaßen beschreibt: „Dieser Musterjude, der gar nicht weiß, was Judentum bedeutet, macht sich und die Juden lächerlich vor allen, indem er uns bis auf die Knochen blamiert.“ Gemeinsam mit Iris Hefets von der Organisation „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Deutschland e.V.“ fordert Melzer die Einreiseerlaubnis für Hamas-Repräsentanten in Deutschland. Begründet wird dies damit, daß Deutschland „verantwortlich ist für die fast komplette Vernichtung des europäischen Judentums, wie auch dafür, daß Israel auf Kosten der Palästinenser entstanden ist“, diese also mithin die „sekundären Opfer der Deutschen“ sind.

Ein wenig ins Hintertreffen gerät im Semit allerdings, daß die Palästinenser 2000 in Camp David ihren eigenen Staat hätten haben können, Arafat aber ablehnte und die Hamas, anstatt einen ordentlichen Staat aufzubauen, lieber weiter von der Vernichtung Israels träumt. Aus diesem unlösbaren Dilemma rettet dann auch der „Bauchtanz für den Frieden“ die Konfliktparteien nicht.

Anschrift: Melzer Verlag. Frankfurter Str. 92, 63263 Neu-Isenburg. Das Einzelheft kostet 5 Euro. Internet: www.dersemit.de

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