© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Der unbekannte Beamte
Wissenschaft: In der Grube Messel hat ein Besucherzentrum eröffnet / Wer hat die Fossilienfundstätte einst gerettet?
Robert Backhaus

Nach rund zweieinhalb Jahren Bauzeit ist jetzt das neue Besucher- und Informationszentrum der Grube Messel bei Darmstadt eröffnet worden, des ersten deutschen „Welt-Naturerbes“, das bei der Unesco eingetragen wurde. In dem Neubau wird auch – Ehre, wem Ehre gebührt – des einstigen hessischen Umweltministers Joschka Fischer gedacht, der die Grube Messel, wie es heißt, entschlossen davor bewahrt habe, als Müllkippe mißbraucht zu werden. Eine in der Grube gefundene vorzeitliche Schlangenart ist sogar nach Fischer benannt: Palaeopython fischeri, Fischers Ur-Python.

Die Grube war vor etwa zwei Millionen Jahren, im sogenannten Eozän, ein kreisrunder, ungewöhnlich tiefer Vulkansee gewesen, vergleichbar den heutigen „Maren“ in der Eifel. Viele Tiere ertranken darin, sanken in die Tiefe, wurden versteinert und blieben so erhalten, und zwar in einer Vollständigkeit, die einmalig ist in der Welt. Man fand und findet dort nicht nur Skelette und vage Gestaltumrisse, sondern ganze ausgedehnte Weichteilabdrücke, Mageninhalte, Flügel von Insekten mitsamt deren ursprünglicher Farbgebung. Hautreste, Behaarungsreste.

Und nicht nur das, auch die Artenvielfalt der in Messel geborgenen Fossilien ist absolut einmalig.  Zahlreiche Vorfahren heute noch lebender Arten wurden bisher nur dort gefunden, so das spektakuläre winzige Urpferdchen, die Urmaus, der Urkranich, der Urglanzkäfer, die Urforelle und und und. Große paläontologische Sammlungen, wie Senckenberg in Frankfurt am Main, haben ganz Säle exklusiv für die  Messelfunde reserviert.

Jahrhundertelang wurde in Messel wertvoller „Ölschiefer“ abgebaut, Bitumen, Tonstein, Eisenerz, auch Braunkohle. In den siebziger Jahren wurde die industrielle Nutzung eingestellt, und die Grube sollte, wie gesagt, zur Müllkippe degradiert werden. Aber Minister Fischer schritt erfolgreich ein. Oder doch nicht? In Messel und in Wiesbaden hält sich hartnäckig das Gerücht, nicht der Minister, sondern ein anonym gebliebener Beamter der Wiesbadener Planungsbehörde habe das Desaster verhindert, und zwar – durch einen simplen Formfehler! Sogar das Fernsehen hat seinerzeit darüber berichtet.

Was folgt daraus? Man sollte endlich eines der Urpferdchen nach dem unbekannten schludrigen hessischen Planungsbeamten benennen!

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