© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

WIRTSCHAFT
Ohne Ingenieure kein Wohlstand
Christian Schwiesselmann

Seitdem es Ingenieure gibt, beklagt man ihren Mangel. Tatsächlich waren in Deutschland im Jahr 2007 rund 3,1 Prozent der Erwerbstätigen als Ingenieure beschäftigt. Nur in der finnischen Taiga ist die Ingenieurdichte größer – eine gute Basis für das Geschäftsmodell Deutschland. Allerdings sind die Zukunftsaussichten weniger rosig: Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelt hat, werden vor allem Jungingenieure bald eine begehrte „Mangelware“ sein. Nicht einmal jeder vierte Ingenieur in Deutschland ist unter 35 Jahre alt. Auch von den Hochschulen naht keine Rettung. Laut IW-Studie kamen 2007 auf 1.000 berufstätige deutsche Ingenieure 35 Hochschulabsolventen. In der Tschechei lag die Absolventenzahl mit 214 mehr als sechsmal höher. Auch Frankreich, Spanien und Italien schickte mehr Ingenieursnachwuchs in die Spur.

Die Ursachen liegen nicht in einer unzureichenden naturwissenschaftlichen Schulbildung, bei der Deutschland seine Nachbarländer im Pisa-Vergleich sogar überflügelt. Hingegen wirken alte gesellschaftliche Vorurteile aus der Zeit der Maschinenstürmerei fort, die junge Menschen und insbesondere Frauen davon abhalten, Ingenieur zu werden: das Bild des ölverschmierten Blaumanns und eine latente Technikfeindlichkeit des Anti-AKW-Zeitalters. Jeder dritte Studienanfänger bricht zudem ab – mehr als in anderen Disziplinen. In der Folge fehlen in Deutschland im Juli 2010 knapp 37.000 Ingenieure. Das ist bitter in einem Land, in dem der Wohlstand von Ingenieurdomänen wie Maschinenbau, Automobilindustrie und Chemie abhängt. Vielleicht können da die auswanderungsbereiten, arbeitslosen Jungakademiker aus Griechenland helfen? Anders als Nicht-EU-Ausländer versprechen sie schnelle Integrationserfolge, nicht nur auf dem Arbeitsmarkt.

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